101 Mal Weihnachten

Vorderberg -

Wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt, die Nebelschwaden über die Täler ziehen, ist es Zeit Vergangenes zu betrachten. Der Heilige Abend rückt immer näher und die Menschen werden zusehends melancholischer. Wie muss es sich dann erst anfühlen, das Fest ums Christkind im dreistelligen Zahlenbereich miterlebt zu haben?

Hier in seiner Kärntner Stube vor dem dunkelgrün gekachelten Ofen erzählt uns Wilhelm Millonigg, dass seine Feste zu Christi Geburt nicht immer von Geschenken und Freude begleitet waren

Zu Besuch in Vorderberg bei Wilhelm Millonigg erfahren wir mehr über Freud und Leid in 100 Jahren seines Lebens. Heuer am 24. Dezember wird der ehemalige Lehrer, Direktor, Oberschulrat, Buchautor, passionierte Sänger und Gemeindeältester von St. Stefan, die Eins zum Hunderter addieren. Trotz des hohen Alters hat der gebürtige Vorderberger seine gewählte Ausdrucksweise und seinen scharfen Sinn nicht verloren. Wo Schatten ist, ist auch Licht, so kann sich Wilhelm Millonigg rückblickend auf drei seiner emotionalsten Momente in der besinnlichsten Zeit erinnern. Wenngleich seine Biografie weitreichend bekannt ist, kennen die wenigsten den emotionalen Traditionsverfechter und sein durchwachsenes, dennoch durch Zufriedenheit gekennzeichnetes Leben.

„Weihnachten kann so verschieden sein. So denke ich doch an die vielen schönen Jahre mit meiner geliebten Gattin Christine zurück, die kurz vor ihrem 90. Geburtstag im Jahre 2016 verstarb. Unsere gemeinsamen Kinder Werner und Gerda, sowie die fünf Enkel und neun Urenkel, sind unsere wertvollsten Geschenke. Das Zeremoniell am Heiligen Abend war wie vielerorts, beinhaltete das Evangelium sowie die Christmette. Und am schönsten war es, wenn´s schneite“, schwelgt der Gailtaler in Erinnerungen.

Und plötzlich wurde es still

Nachdenklich und den Kopf zur Seite gedreht, unterbrach Herr Millonigg das Gespräch, welches mir eine große Ehre war zu führen. Dann fügte er hinzu: „Als ich mit einem Vorderberger Auswanderer nach Amerika ging, ich muss erwähnen – er hatte solches Heimweh – brach dieser just nach der Weihnachtsmesse tot am Boden zusammen und ich verlor meinen guten Freund. Es liegt schon sehr weit zurück, aber für mich ist es, als wäre es gestern gewesen.

Und mitten im Zweiten Weltkrieg, als ich 1942 zum Leutnant erkoren wurde und zu Weihnachten nach Hause durfte, erlebte ich im Keller des heutigen Parkhotels in Villach zur Sperrstunde eine Messerstecherei, einen Mord und einen tödlichen Unfall. Ein grausames Erlebnis, das ich bis heute nicht vergessen kann. Doch auch, als mein großer Bruder in Feffernitz im Entlassungslager stationiert war, wir mit Mutter Franziska und Vater Josef sowie der kleinen Anni beim Feuer saßen und dieser mit schweren Tritten quasi als Überraschungschristkind nach Hause kam, „ja das sind Momente, dich mich bis heute zu Tränen rühren und begleiten“, und seine Augen fingen zu glänzen an.

2016 verstarb seine Frau und bekannt gute Köchin Christine

Weihnachten in zehn Jahrzehnten

Im Laufe seines schlichten Lebens hat – und wie kann es anders sein – Wilhelm Millonigg Spuren aus allen Jahrzehnten davongetragen. Der Junge, der im ersten Stock in der Volksschule Vorderberg zu Welt kam, spricht nach wie vor von durchwachsenen, schwierigen Zeiten. Auf die Frage, wie man trotz all dieser Herausforderungen so agil altern kann, antwortete er unverblümt: „Wer neidig ist, kann nicht zufrieden sein. Ein gesunder Lebensstil und Kontakte zu den Mitmenschen sind für mich einige der Zutaten zu Gottes Segen“.