Handysucht: 16 Prozent schreiben sogar beim Autolenken Textnachrichten – Heuer schon 87 Tote durch Ablenkung

Österreich -

Wie eine repräsentative Umfrage vom Präventionsinstitut KFV zeigt, telefonieren 55 Prozent der österreichischen Autofahrer während einer einstündigen Fahrt mindestens einmal am Steuer, 28 Prozent lesen und 16 Prozent schreiben sogar eine Nachricht.


Ablenkung fordert immer mehr Menschenleben

Vielen ist die immense Gefahr gar nicht bewusst, warnen die Präventionsexperten vom KFV. Seit Jahresbeginn sind in Österreich bereits mindestens 87 Menschen im Straßenverkehr durch die Unfallursache Ablenkung ums Leben gekommen. Das sind 34 Prozent aller Verkehrstoten. Damit ist Ablenkung Unfallursache Nummer Eins unter den tödlichen Verkehrsunfällen. Das KFV fordert längst fällige Gegenmaßnahmen. 

Die gefährliche Illusion der Multitasking-Fähigkeit im Straßenverkehr

Viele Menschen denken, dass sie locker mehrere Tätigkeiten gleichzeitig verrichten können. Doch das ist ein Trugschluss, der fatal enden kann. Pro Jahr werden im Schnitt in Österreich mehr als 11.700 Menschen aufgrund der Hauptunfallursache Ablenkung im Straßenkehr verletzt und 90 Menschen getötet (5-Jahresdurchschnitt 2019-2023). In diesem Jahr wurden aufgrund von Ablenkung bis zum Stichtag 20. Oktober 2024 bisher bereits mindestens 87 Verkehrstote gezählt. Doch bereits jetzt liegt die Anzahl der Verkehrstoten durch Ablenkung um 10 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und um 13 Prozent höher als im Dreijahresschnitt. 

Lesen sogar noch gefährlicher als schreiben    

Mit einem Anteil von 34 Prozent führt Ablenkung in diesem Jahr bislang die Liste der Ursachen für tödliche Verkehrsunfälle an. Zu den häufigsten und risikoreichsten Ablenkungen im Straßenverkehr gehören störende oder gar alkoholisierte Mitinsassen, das Essen und Trinken am Steuer und vor allem das Hantieren mit dem Smartphone beim Fahrzeuglenken. Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) erklärt dazu: „Wenn früher von der Handynutzung am Steuer die Rede war, dann ging es primär darum, ob jemand erlaubterweise mit, oder verbotenerweise ohne Freisprecheinrichtung telefonierte. Heute müssen wir der Frage nachgehen, ob das Lesen von Textnachrichten am Steuer sogar noch gefährlicher ist als das Schreiben. Und tatsächlich ist das Lesen sogar noch riskanter als das Schreiben.“

Junge Leute besonders sorglos    

Wie eine von Mai bis Juni 2024 durchgeführte Umfrage des KFV zeigt (n=2.105 Personen), telefonieren 55 Prozent der autolenkenden Bevölkerung während einer einstündigen Autofahrt mindestens einmal mit dem Handy, 28 Prozent lesen und 16 Prozent schreiben sogar Nachrichten. Sechs Prozent haben eingeräumt, dass sie beim Autolenken Social Media wie beispielsweise Instagram oder Facebook nutzen. Auffallend ist die hohe Sorglosigkeit unter jungen Menschen: Nur 29 Prozent der 17- bis 19-Jährigen sehen das Lesen von Nachrichten am Handy während der Teilnahme am Verkehrsgeschehen als sehr gefährlich an. Besonders fatal kann es enden, wenn jemand als ungeschützter Verkehrsteilnehmer zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist und in einen Verkehrsunfall verwickelt wird. Sei es nun, weil die zu Fuß gehenden selbst abgelenkt waren oder deren Unfallgegner. 24 Prozent aller polizeilich erfassten Unfälle mit zu Fuß gehenden Personen passieren in Österreich aufgrund von Ablenkung, bei den Fahrradunfällen liegt der Anteil der Ablenkungsunfälle sogar bei 40 Prozent (Durchschnitt 2019-2023). 

Verkehrssicherheitsexperte erklärt: Die Gefahren der Ablenkung im Straßenverkehr

Dipl.-Ing. Robatsch erklärt, was Ablenkung im Straßenverkehr so gefährlich macht. „Wenn Sie beim Lenken eines Kfz abgelenkt sind, verschlechtern sich Ihre Reaktionszeiten massiv, Sie vergessen eher zu blinken, übersehen rote Ampeln und Verkehrszeichen oder Sie verringern unwillkürlich den Sicherheitsabstand zum Vorderfahrzeug“. Der Verkehrssicherheitsexperte fordert daher eine Reihe von Maßnahmen, um die Anzahl der Ablenkungsunfälle zu senken, darunter beispielsweise die Abschaffung von Kontrollhindernissen für die Exekutive (s. unten).

Dipl. Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV © KFV/APA Fotoservice/Schedl

Forderungen des KFV:

  • Verkehrsteilnehmerbezogene Bewusstseinsbildung (vor allem in der Altersgruppe 15 bis 24 Jahren) z.B. durch Weiterentwicklung der schulischen Verkehrserziehung (Schwerpunktthema Ablenkung).
  • Radverkehr: bewusstseinsbildende Maßnahmen im Schulumfeld (Ablenkung durch Handy-Nutzung sollte z.B. bei der freiwilligen Radfahrprüfung thematisiert werden).
  • Probeführerscheinbesitzer müssen derzeit bei einem Verstoß gegen das Verbot des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung am Steuer eine Nachschulung besuchen. Für diese Zielgruppe wären deliktspezifische Kurse zum Thema Ablenkung durch Mobiltelefone empfehlenswert.
  • Verstärkte Kontrollen durch die Exekutive, auch von Radfahrenden.
  • Abschaffung bestehender Kontrollhindernisse: Die Bestrafung für die Verwendung eines Mobiltelefons beim Lenken eines Kfz ohne Freisprecheinrichtung ist derzeit nur bei Anhaltung durch die Organe der Straßenaufsicht oder aufgrund von bildgebender Verkehrsüberwachung möglich. Diese Hürde verhindert Sanktionierungen, wenn die Anhaltung nicht möglich ist. Daher sollte diese beseitigt werden.