100 Jahre E-Werk Eggeralpe

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Hermagor/Egg -

Starker Pioniergeist und fortschrittliches Denken ermöglichten ab 1. Juli 1923 die Strom-Erzeugung am Garnitzenbach.


Ing. Thomas Robin, Obmann der Elektrizitätsgemeinschaft Egg, ist Autor einer akribisch erstellten Chronik und definiert die Anfänge der beeindruckenden Geschichte rund um das E-Werk am Garnitzenbach wie folgt: Eine Handvoll visionärer Bauern mit Filzhüten und genagelten Sohlen an ihren Echtlederschuhen saßen Anfang 1920 mit ihren Leinen- und Lodenhosen abends an einem Eichentisch in der Stube beim vlg. Miklautschitsch in Fritzendorf.
Es gab Most und selbst gebrannten Schnaps, und das diffuse Petroleumlicht erleuchtete die Stube. Draußen war es kalt; im dunkelgrünen Kachelofen glühten die Buchenscheiter. In diesem Ambiente grübelten und sinnierten sie über das revolutionär neue elektrische Licht und die Kraft für Motoren, welches es in Hermagor schon bereits seit etwa sieben Jahren gab. Dabei fiel immer wieder ein einziges deutsches Wort, das war „E-Werk“, und in der Luft lag der Geruch von Pfeifentabak, altem Holz und Schweiß. So ungefähr oder genau so begann die Geschichte des Egger E-Werkes. Doch die Geschichte ging weiter – and the adventure began: Bald wurde ein kurzer, aber weitreichender Beschluss bezüglich des geplanten E-Werksbaues in den Gremien der Egger Almgemeinschaft gefasst. Schlussendlich setzten diese Bauern mit den Filzhüten und den Lodenhosen in den Folgejahren in der Luschau, direkt am Garnitzenbach, das größte Projekt in der Geschichte der Altgemeinde Egg im Gailtal um. Background und starke Substanz bildete die Egger Almgemeinschaft / Agrargemeinschaft Eggeralpe und Zinia.

Leidenschaft und Begeisterung

Wenn Franz Robin (85) und Sohn Thomas (54) aus Egg auf der Terrasse des Gasthofes „Klammwirt“ im Gespräch mit dem Gailtal Journal bei einem kühlen Getränk über die Entstehung des E-Werkes Eggeralpe erzählen, ist als akustischer Hintergrund das Rauschen des nahen Garnitzenbaches, je nach Jahreszeit und Wasserstand, mehr oder weniger deutlich hörbar. Ganz dezent im Hintergrund auch das kontinuierlich leise Surren der Kraftwerks-Turbinen im Keller, die seit nunmehr 100 Jahren unermüdlich Strom liefern.

Entstehungsgeschichte

In alten Schriften wird in der Luschau, am Standort des heutigen Kraftwerkes, bereits vor 200 Jahren eine „Brettersäge der Herrschaft Khünburg“ erwähnt, die 1828 durch Versteigerung in privaten Besitz gelang. Jahrzehntelang wurde dort gesägt und gearbeitet, wobei das Sägewerk mit einem Wasserrad angetrieben wurde. Der Wasserzulauf erfolgte über ein offenes hölzernes Gerinne. Doch gegen Ende der 1800er-Jahre verfiel die Säge. Als im Juni 1922 die Eggeralm-Gemeinschaft den Beschluss fasst, die verfallene „Ruttnig-Säge“, damals im Eigentum des Alm-Obmannes Anton Warmuth, vlg. Miklautschitsch aus Fritzendorf, samt den dazugehörenden Grundstücken zu kaufen, um dort ein E-Werk zu bauen, wird als erster Schritt die Auslagerung der E-Werk-Sparte in einen eigenen Elektritzitäts-Ausschuss der Almgemeinschaft gesetzt. Noch im August des selben Jahres wird mit dem Bau des E-Werkes begonnen. Zur Finanzierung des Baufortschrittes wurden vorerst etwa 12.000 Festmeter Rundholz auf der Eggeralm geschlägert, mit Pferdefuhrwerken zu Tal gebracht und an das damalige Sägewerk Hasslacher-Drauland verkauft; ebenso wurde das gesamte Lärche-Bauholz für den Bau des Kraftwerk-Gebäudes über die bereits im Ersten Weltkrieg erbaute Eggeralm-Straße ins Tal geliefert.

Alte Sägemühle in der Garnitzenklamm (1894) – heute Klammwirt

Technik

Im Zeitfenster 1922/23 wurde sowohl das E-Werksgebäude als auch das Betriebsleiter-Haus mit der Hausnummer Luschau 4 errichtet. Darüberhinaus auch alle Masten für die Stromleitung zur Versorgung der Almanteils-Mitglieder. Wesentliche Baumaßnahmen waren auch die Bach-Fassung mit dem Einlauf-Gitter, der 14 m lange Stollen im Fels, sowie die etwa 300 m lange Druckrohr-Leitung bis zum Krafthaus. Versorgt wurden vorerst Potschach, Fritzendorf, Micheldorf, Egg, Götzing und Braunitzen. Trafostationen gab es in der Luschau, in Micheldorf und in Egg. Hilfreich für den Kraftwerks-Bau war auch die Wiederbelebung des alten Sägewerkes, wobei der ursprüngliche Wasserrad-Antrieb gegen einen Riemen-Antrieb, ausgehend von der neuen Turbine, getauscht wurde. Ab Anfang der 1980er Jahre, wurde die Stromlieferumg durch die Montage einer Rechenreinigungsanlage wesentlich gesteigert. Konstruiert und gebaut wurde diese Anlage mechanisch durch Peter Hebein (jetzt ObmannStv), und der elektrische Teil durch Langzeit-Obmann Franz Robin.

Historischer Tag

Am Sonntag 1. Juli 1923, mitten in der wirtschaftlich harten Zwischenkriegszeit, wurde das E-Werk mit 50 KW Leistung und dem 5000 Volt Leitungs-Netz feierlich in Betrieb genommen. Zwar hatte die Eggeralm-Gemeinschaft im März 1924 etwa 305 Millionen Kronen Schulden, aber um diese Schulden-Last etwas abzubauen, wurden immer wieder weitere Holz-Mengen auf der Alm nachgeschlägert. Im Jahre 1933 wird die E-Werkssparte der Eggeralmgemeinschaft – nach fast 10 Jahren Gründungsphase – in eine eigene Gemeinschaft übertragen. Die neue Gemeinschaft heißt jetzt Elektrizitäts- und Sägewerksgemeinschaft Eggeralpe. Die Schulden gingen auf die neue Gemeinschaft über, und somit war die Almgemeinschaft ab diesem Zeitpunkt schuldenfrei.

Laufender Betrieb

Durch seine immerhin 67-jährige Tätigkeit im E-Werk Eggeralpe (von 1953 bis 2020), zuerst als Lehrling bei der Elektrofirma Rabitsch, später als Kraftwerks-Wärter und Zuständiger für das gesamte Leitungsnetz, kann sich Langzeit-Obmann Franz Robin (von 1988 bis 2020) an unzählige Alltags-Details, aber auch an viele harte Herausforderungen, erinnern. Darüberhinaus ist Franz auch heute noch aktiv im Vorstand der Gemeinschaft als Kassier tätig und für die Finanzen verantwortlich. Während der Kriegsjahre und unmittelbar danach wurde der vom E-Werk Eggeralpe gelieferte Strom durch die zunehmende maschinelle Technisierung der Abnehmer knapp. Die Strombezugs-Rechte waren je nach Anteil genau geregelt, aber dennoch gab es zeitweise Rationierungs-Listen, die natürlich auch nicht immer konsequent eingehalten wurden. Franz Robin: „Mit dem Einbau eines zweiten Maschinensatzes und dem Umbau auf 400 Volt Technik im Jahr 1961 entspannte sich die Situation vorübergehend. Zur selben Zeit wurde der Sägewerks-Betrieb eingestellt und die Sägeräumlichkeiten in eine Jausenstation umgebaut. Eine große Erleichterung für die Elektrizitäts-Gemeinschaft Egg war die Übernahme und Wartung des gesamten Leitungs-Netzes durch die Kelag im Jahre 1966.“ Das E-Werk selbst verbleibt weiterhin im Eigentum der Mitglieder der Elektrizitätsgemeinschaft. Immer wieder wurden Teile der Kraftwerksanlage durch starke Hochwässer beschädigt. Robin: „Selbstverständlich musste man damals bei Hochwassergefahr zu jeder Tages- und Nachtzeit vor Ort sein und die Naturgewalten überwachen.“

Die drei Maschinensätze bringen bei optimalen Bedingungen eine Leistung von 190 kW

Digitalisierung

Bereits im Jahr 1990 übergab Obmann Franz Robin die Funktion des E-Werks-Wärters an seinen Sohn Thomas (Jahrgang 1969); im Jahre 2020 hat Thomas auch die Obmann-Funktion von seinem Vater übernommen. „Mit Ablauf und Erneuerung des Wasserrechtes haben wir uns im Jahre 2013 für den Umbau und die Erneuerung der gesamten elektrischen Einrichtungen sowie zur Automatisierung und Digitalisierung der Anlagenteile durch zeitgemäße Andritz-Bauteile entschlossen. Ein wertvoller Schritt, der uns von Jänner bis April 2013 bei nur 14 Stillstands-Tagen gelungen ist. Die Kössler-Turbine, Baujahr 1961, wurde automatisiert, und die „Ur-Turbine“ des Jahres 1922 wurde durch zwei kleinere Maschinensätze ersetzt. Damit können wir das jeweilige Wasser-Angebot optimaler nutzen, und die Gesamtleistung aller drei Turbinen beträgt aktuell 190 kW. Zufolge der Strommarktliberalisierung hat es im Laufe der Jahre zahlreiche Herausforderungen gegeben, aber durch die Digitalisierung habe ich jederzeit – auch über mein Handy – den totalen Überblick, wie die Turbinen laufen. Heute liefern wir etwa eine Million Kilowattstunden 100-prozentigen Ökostrom pro Jahr, und tragen damit schon seit 100 Jahren maßgeblich zur Energiewende bei.“

Jubiläum

Für Samstag, 16. September 2023 plant die Elektrizitätsgemeinschaft Egg mit den Mitgliedern eine würdige Feier anlässlich des erfreulichen 100-Jahre-Jubiläums. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird u.a. auch die eingangs erwähnte Chronik, erstellt von Obmann Ing. Thomas Robin, präsentiert.

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