Die Chefin der Wiener Grünen ist eine Gailtalerin

Ich vergesse nie, woher ich komme

Feistritz/Gail - Wien -
Birgit Hebein (53) stammt aus Feistritz an der Gail und ist Vizebürgermeisterin sowie Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und Bürgerinnenbeteiligung in Wien. Auch bei den Koalitionsverhandlungen war sie „federführend“ mit dabei und in einigen Monaten stehen neue Landtagswahlen an, wo sie Spitzenkandidatin für die Grünen ist. Privat ist sie Mutter von zwei Kindern und kommt immer wieder gerne in die Heimat, um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.

Vom Gailtaler Dorf in die Großstadt Wien – Birgit Hebein

Gailtal Journal: Frau Hebein, Sie sind seit Juni 2019 erste Parteivorsitzende der Wiener Grünen?

Birgit Hebein: Ja, wir haben uns letztes Jahr für eine neue Struktur und für eine klare Öffnung der Partei entschieden und das ist uns gelungen. In den letzten Monaten sind so viele Menschen aus allen möglichen Umfeldern zu uns gestoßen, um mitzumachen und uns zu unterstützen. Gemeinsam wollen wir Wien zur Klimahauptstadt Europas machen – und das kann nur gelingen, wenn Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt Hand in Hand gehen.

Im heurigen Jahr erfolgen Landtagswahlen in Wien, welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Wir wissen, dass Wien eine der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Städte Europas ist. Gleichzeitig wissen wir, dass uns die Zeit davon „rennt“ und wir jetzt handeln müssen, um das Ruder noch herumzureißen. Die heurige Wien-Wahl wird eine Klimawahl und wir Grünen werden alles tun, damit die nächste Koalition eine Klimakoalition wird. In der echter, mutiger Klimaschutz und sozialer Zusammenhalt Hand in Hand gehen.

Sie waren auch federführend bei den Koalitionsverhandlungen?

Ja, eine sehr spannende Aufgabe. Ich war hauptverantwortlich für den Bereich Soziales, wo wir von Arbeit bis Pflege, Armutsbekämpfung bis Pensionen, Gesundheit, Familien und Inklusion verhandelt haben. Als Verhandlerin war es mir besonders wichtig, dass die Armut und vor allem die Kinderarmut bekämpft werden. Das schaffen wir mit vielen Maßnahmen wie der Erweiterung des Familienbonus auf niedrige Einkommen, dem Pilotprojekt an 100 Schulen unter anderem mit besonderen Herausforderungen. Da sind uns wichtige Schritte gelungen.
Die Wiener Grünen Chefin (Mitte) mit den beiden Ministern Alma Zadic (links) und Leonore Gewessler (rechts)

Wie geht es bei den Verhandlungen hinter den „Kulissen“ so zu – ein Wort dazu?

So unterschiedlich die Inhalte auch sein mögen. Politik wird von Menschen gemacht und wenn man sich begegnet verändern sich die Bilder im Kopf. Wir hatten von Beginn an ein konstruktives, professionelles Gesprächsklima.

Sie leben seit 1986 in Wien und stammen aus dem Unteren Gailtal?

Ja, ich bin geprägt durch zwei Welten: Meine erste große Liebe ist Feistritz an der Gail. Dort bin ich in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, habe Akkordeon gelernt, den Traktorführerschein gemacht. War Mitglied im Chor der Kärntner Landjugend und habe zwischendurch auf einem Bergbauernhof gearbeitet. Meine zweite große Liebe, die lebens- und liebenswerteste Stadt der Welt: Wien, wo ich als Sozialarbeiterin meine erste Berufung gefunden habe. Wo meine beiden Kinder groß geworden sind, wo ich als Vizebürgermeisterin gemeinsam dafür arbeite, die Stadt jeden Tag ein Stück besser zu machen. Diese beiden Welten prägen mich und so verschieden sie sind, so vieles haben sie gemeinsam: Die Straßen im Dorf und das „Grätzlzentrum“. Dort, wo die Menschen zusammenkommen, ist das Leben – am Land und in der Stadt.
Auch unter den Bauarbeitern fühlt sich die Kärntnerin wohl

Wie oft kommen Sie noch nach Hause?

Unlängst war mich mein Bruder in Wien besuchen und ich habe mich sehr gefreut. Ich selbst komme mit meinen Kindern immer wieder nach Kärnten, um Zeit mit der Familie zu verbringen. „Krape“ von meiner Mutter (meine Lieblingsspeise Kärntner Nudel) zu essen. Zum Tratschen, was es Neues gibt und im Sommer auf die Feistritzer Alm zu gehen, wo ich als Kind oft gewesen bin.
Ein Bild aus ihrer Heimat Feistritz an der Gail – beim Kufenstechen

Laut Prognose wird Wien 2027 zwei Millionen Einwohner haben, für uns Gailtaler (Anmerkung: Bezirk Hermagor hat rund 18.000 Einwohner) eine unvorstellbare Summe?

Ja, das sind schon ganz andere Dimensionen (lacht). Gleichzeitig sehe ich aber so viele Gemeinsamkeiten – mittlerweile grüßen mich die Leute da wie dort auf der Straße. Dass mich in Wien jetzt so viele Menschen erkennen und freundlich grüßen oder mir zuwinken. Das freut mich und erinnert mich auch an Feistritz, wo das üblich ist. Es kennen sich ja alle (lacht).

Möchten Sie den Leserinnen und Lesern vom Gailtal Journal noch etwas mitteilen?

Auch als Wiener Vizebürgermeisterin vergesse ich nie, woher ich komme. Und ich kann allen empfehlen, unsere liebens- und lebenswerte Hauptstadt Wien zu besuchen. Unlängst hatte ich auch ein Gespräch mit einem jungen Mädchen, das davon träumt, Journalistin zu werden und sich sehr unsicher war, ob sie das schafft. Ich habe ihr erzählt, dass ich in einer Hauptschule in einem Dorf in Kärnten war und jetzt Vizebürgermeisterin von Wien bin. Ich habe ihr gesagt: Du schaffst das!