Von Marlies Jost
Dem Gailtal Journal hat die 29-jährige Neudorferin verraten, dass es keinen Sinn macht, mit dem eigenen Schicksal zu hadern und dass man mit innerer Kraft und Willensstärke seine Ziele erreichen kann. Esther ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Krisen eine Chance und eine Krankheit die Eröffnung neuer Möglichkeiten sein kann. Esthers Lebensmotto ist als Tattoo auf ihrem Unterarm verewigt: „Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ein Geheimnis, aber jeder Augenblick ist ein Geschenk“.
Der Mensch steht im Mittelpunkt
Während ihrer Ausbildung zur Zahntechnikerin erkrankte die Gailtalerin an Rheumatioder Arthritis – einer Gelenksentzündung, bei der es durch den ständigen Entzündungsprozess in der Gelenkinnenhaut zur Zerstörung von Knochen, Knorpeln und Bändern kommt. „Bei mir kam es zu Funktionsstörungen, welche mit extremen Schmerzen in allen Gelenken verbunden waren, das Gehen fiel mir immer schwerer“, beschreibt Esther ihren Leidensweg. Trotzdem beendete Esther die Lehre und musste nach weiteren drei Jahren ihren Beruf wegen fehlender Feinmotorik in den Fingern aufgeben. In Waiern absolvierte Esther eine Ausbildung als Diplom-Sozialbetreuerin für Menschen mit Behinderung und betreute in ihrem Praktikum u.a. Jugendliche aus Problemfamilien in der Hermagorer Wohngemeinschaft „Cowota“. In Schulassistenz in der Volksschule und der NMS Hermagor begleitete die sozial engagierte junge Frau beeinträchtige Kinder und arbeitete danach als Behinderten-Betreuerin im Wohnhaus St. Daniel. „Die Arbeit war wegen meiner Beschwerden sehr anstrengend und herausfordernd, daher entschloss ich mich für das Studium Disability und Diversity an der FH Klagenfurt, welches sich mit der steigenden Vielfalt in der Gesellschaft befasst und neue Perspektiven von menschlicher Beeinträchtigung in den Vordergrund rückt“, schildert Esther ihre Ausbildung.
Leidenschaft wurde Beruf
Neben dem Studium arbeitet Esther in Teilzeit im Hermagorer Shop „P&B snow-
andsports“ von Birgit und Peter Ortner. „Das war wohl die beste Entscheidung meines Lebens“, ist sich die sympathische Kämpferin sicher und ergänzt: „Die medikamentöse Therapie gegen meine ständigen Schmerzen habe ich wegen einer Medikamentenunverträglichkeit abgebrochen. Bei der Beschaffung meiner Sportausrüstung habe ich Birgit und Peter kennengelernt, sie wurden dann meine verständnisvollen und liebenswerten Arbeitgeber und weckten meine Berg-Sehnsucht. Das Unternehmer-Paar ermöglichte mir, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen und unterstützt mich auch mit ihrer Kooperation.”
Berge sind mein Leben
„Ich wollte die Berge nicht nur von unten sehen, begann mit einfachen Wanderungen und ich erinnere mich an meinen ersten Gipfelsieg am Gartnerkofel. Es war ein berauschendes Gefühl von Leichtigkeit, Glück und Freiheit. Ich erkannte trotz einschneidender Diagnose, dass Bewegung in der Natur ein gelenkschonendes Ganzkörpertraining ist und meine Krankheit mental und körperlich lindern kann“, erzählt Esther von ihrem Anstoss, dass sie ihr Leben neu orientieren wollte. Inzwischen sind Berge ihr Lebensinhalt geworden. Mit Familie, Freunden oder im Alleingang mit ihrem tierischen Begleiter Hund „Yuki“ beklomm Esther unzählige Berge in den Gailtaler-, Karnischen- und Julischen Alpen oder in den Dolomiten, darunter auch viele Klettersteige und einige Dreitausender. „Jeder Gipfelsieg ist für mich Beweis dafür, dass der Wille Berge versetzt, deshalb werde ich auch irgendwann mein Wunsch-Ziel erreichen: Ich will unbedingt den Großglockner besteigen“, freut sich Esther auf weitere Berg-Herausforderungen.
Erfolgreiche Influencerin
Esther postet ihre wunderschönen Bergfotos auf Instagram und es freut sie, dass sie damit ihre Leidenschaft mit den Followern teilen und gleichzeitig als Mutmacherin fungieren kann. „Ich bin ein gutes Bespiel dafür, dass man auch mit einem Handicap aktiv und selbstbestimmt leben kann“, ist die bergverliebte Sportlerin überzeugt. Als Influencerin ist die Bergsportlerin stolz über die Kooperationen mit Sportartikelfirmen und vor allem mit ihren beiden Chefs Birgit und Peter und hat in deren Sportzentrum „KLE.SCH“ in St. Daniel eine zweite Heimat gefunden, denn auch Klettern und Bouldern erfüllt ihren Bewegungsdrang.