Gailtal Journal: Frau Neuwirth, wie lebt es sich in Pontebba?
Luise Neuwirth: Sehr ruhig und unspektakulär. Ich denke mir, es ist nicht viel anders als in einem Dorf im Gailtal. Der erste Eindruck, wenn man nach Pontebba kommt war schon etwas bedrückend. Aber ich ließ mich davon nicht abschrecken. Ich wurde nett aufgenommen, habe mir mittlerweile auch einen italienischen Freundeskreis aufgebaut und bin im Vereinsleben integriert. In Italien ist alles ein bisschen komplizierter, überhaupt natürlich Behördenwege. Alles braucht seine Zeit, ich bin gelassener geworden, akzeptiere die Unterschiede, ohne mich daran zu ärgern, es bringt ja nichts.
Sie wohnen gleich neben der Straße Richtung Nassfeld?
Wir haben das Elternhaus von meinem Mann ausgebaut, die Schwiegermutter (90 Jahre) ist auch im Haus, der Vater ist bereits vor 35 Jahren verstorben. Wir sind in der glücklichen Lage auch einen Garten und die Garage beim Haus zu haben. Es gibt bei uns sogar noch eine Nachbarschaft – Agrargemeinschaft und ist ein „Überbleibsel“ aus der K&K Zeit. Unser Haus ist zwar nicht Teil der Nachbarschaft, da es erst um die Jahrhundertwende gebaut wurde. Jedoch haben wir das Anrecht auf „Heizholz“ im Ausmaß von zirka zehn Meter pro Jahr.
Wo haben Sie Ihren Mann Daniele Polonia kennengelernt?
Es war beim Speckfest 2003 in Hermagor und er war damals noch hauptberuflich bei der Berufsfeuerwehr in Tarvis tätig. Seit rund zehn Jahren ist die FVG Strade, also die italienische Bundesstraßenverwaltung, sein Arbeitgeber und das fünfköpfige Team betreut den Straßenabschnitt von Tarvis bis Carnia. Aufgrund von Personalmangel ist er aber auch im Bereich von Tolmezzo bis Villa Santina unterwegs.
Sie sprechen zwischenzeitlich schon perfekt Italienisch?
Was ist schon perfekt? Mir wird hin und wieder gesagt, dass ich eine bessere Aussprache habe als manch Südtiroler (lacht). Ich habe schon am Oberstufengymnasium in Hermagor in „Italienisch“ schriftlich und mündlich maturiert. Somit hatte ich eine gute Basis und keine sprachlichen Schwierigkeiten.
Ihr gemeinsamer Sohn Tobias wächst zweisprachig auf?
Wenn ich mit ihm allein bin oder wir im Gailtal sind reden wir deutsch, als Familie italienisch. Natürlich auch etwas „friulanisch“ mit der Nonna und den Nachbarn. Tobias besucht die mehrsprachige Volksschule in Uggowitz, die Kinder werden in Italienisch, Slowenisch, Deutsch und auch Englisch unterrichtet. Mir gefällt, dass er mit dem Alpe Adria Gedanken aufwächst. Ohne abwertende Unterschiede zwischen den Völkern zu sehen. Wir sehen uns alle als eine Gemeinschaft.
Sie arbeiten als Deutschlehrerin im Kanaltal?
Es hat sich ergeben, dass ich im „progetto scuole plurilingue“ anfangen konnte. Das Projekt gibt es seit rund fünf Jahren im Kanaltal und wird finanziell unterstützt von den Kulturvereinen, den Gemeinden und dem Land Friaul. Zuständig bin ich für den Kindergarten und die Volksschule Tarvisio Citta. Ich lerne mit den Kindern typische Kinderlieder und Sprüche im Jahresreigen. Die Kinder lernen die Farben, die Tiere, das Begrüßen und vieles mehr – aber auch unsere Traditionen.
Sie erfüllten sich mit Ihrem Mann einen Wunschtraum und errichteten ein „Refugium“ im Grünen?
Für uns ist es ein Rückzugsort im Grünen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, es steht erst der Rohbau. Zudem planen wir einen Bauerngarten und vielleicht schaffen wir uns ein paar Schafe, Ziegen oder Hühner an.
Wie oft kommen Sie noch ins Gailtal?
Eigentlich habe ich nur über den „Berg“ geheiratet, es fühlt sich gar nicht wie Ausland an. Vor Corona war ich viel im Gailtal mit Arbeit, Familie und Freunden. Mein Leben war eher mehr Kärnten „lastig“, aber mit Februar 2020 hat sich alles geändert. Die Grenzen waren gesperrt und Kontakte nicht mehr möglich. Das Kind musste Zuhause unterrichtet werden. Aber immer wieder kommen mal auch die Eltern, Geschwister mit Partnern und Freunde – sofern möglich – vorbei.
Geschichte von Pontebba/Pontafel
Durchquert wird die Ortschaft vom Wildbach Pontebbana, der bis 1919 die italienisch-österreichische und gleichzeitig die friulanisch-deutsche Sprachgrenze markiert, indem er damals den Ort noch in die Gemeinden teilte: Pontebba (Italien-Venetien) und Pontafel (Österreich-Ungarn, Kärnten). Die Grenze zwischen der romanischen und der germanischen Sprachfamilie zeigte sich hier auch visuell besonders stark, wie Reiseberichte des 18. und 19. Jahrhunderts beschreiben. Auf der rechten Seite des Pontebba-Baches befand sich das venezianische von hohen Steinbauten mit Ziegeldächern geprägte, städtisch wirkende Pontebba. Und auf der linken Seite das kärntnerische, von Holzhäusern mit Schindeldächern geprägte, dörfliche Pontafel. Im Jahr 1900 hatte Pontafel, der österreichische Teil des Ortes, 804 Einwohner. Davon waren 93 % deutschsprachig. Heute leben insgesamt noch 1348 Einwohner in Pontebba und ist es auch die Partnergemeinde von Hermagor.