Zwei große Baustellen: Pensionswelle und Abwanderung
„Die ärztliche Versorgung steht heute vor zumindest zwei großen Herausforderungen“, eröffnete ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart die Pressekonferenz zur Präsentation der neuen Statistik. Einerseits rückt ein erheblicher Teil der Ärzt:innen aus der Babyboomer-Generation in den nächsten Jahren ins Pensionsalter. Andererseits werde ein Drittel jener Mediziner:innen, die ihr Studium in Österreich absolvieren, hierzulande nicht versorgungswirksam – viele kehren in ihre Herkunftsländer zurück oder gehen ins Ausland, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. Laut Steinhart müsse die Politik diese Trends ernst nehmen: „Wenn wir die Versorgung in Zukunft auf hohem Niveau absichern wollen, braucht es jetzt mutige und strukturelle Entscheidungen.“
Die Ärzteschaft wächst – aber nicht dort, wo sie gebraucht wird
Lukas Stärker, Kammeramtsdirektor der ÖÄK, legte die zentralen Zahlen der Ärztestatistik 2024 vor. Mit Stand 31. Dezember 2024 waren in Österreich 52.005 Ärztinnen und Ärzte registriert – ein Plus von 2,7 Prozent zum Vorjahr. Darunter befinden sich:
9.620 Turnusärzt:innen
12.882 Allgemeinmediziner:innen
29.385 Fachärzt:innen
118 approbierte Ärzt:innen
Auffällig ist der hohe Frauenanteil, der mittlerweile 49,9 Prozent der Gesamtärzteschaft ausmacht. Besonders hoch ist dieser bei den Allgemeinmediziner:innen (60,8 %) und Turnusärzt:innen (56,4 %). Problematisch ist jedoch die Altersstruktur: Ein Drittel aller Ärzt:innen ist über 55 Jahre alt. Hochgerechnet bedeutet das, dass in den nächsten zehn Jahren rund 18.189 Mediziner:innen das Pensionsalter erreichen. Um den Status quo zu halten, müssten jährlich mindestens 1.818 Ärzt:innen ersetzt werden. ÖÄK-Präsident Steinhart machte deutlich: „Es gibt keinen generellen Ärztemangel – aber einen eklatanten Mangel im öffentlichen System.“ Zwar sind rechnerisch genügend Ärzt:innen in Österreich tätig, doch der Kassenbereich und viele Spitäler leiden unter offenen Stellen, überlastetem Personal und langen Wartezeiten. Erschwerend kommt hinzu: Zwar gibt es jährlich 1.756 Studienplätze für Humanmedizin (ohne Privatunis), doch etwa ein Drittel der Absolvent:innen bleibt nicht im österreichischen System. Mehr Studienplätze allein lösen das Problem nicht, warnt Steinhart – sie könnten sogar teuer werden, wenn der Staat weiter ausgebildete Fachkräfte ans Ausland verliert.
Sieben Maßnahmen für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem
Um der Entwicklung entgegenzuwirken, präsentierte Steinhart konkrete Vorschläge zur Reform des Systems:
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Attraktive, konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen – national wie international.
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Flexible Modelle in Spitälern und Kassenordinationen – etwa Teilzeitverträge und geteilte Kassenstellen.
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Radikaler Bürokratieabbau – insbesondere in Kassenpraxen und Spitälern.
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ELGA praxistauglich machen – mit einer übersichtlichen und sofort nutzbaren Patient Summary.
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EU-weite Quote für Mindeststudienplätze, um Abwanderungseffekte zwischen Ländern zu verringern.
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Ausbildungsstellen direkt nach Studienabschluss anbieten.
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Strukturreform der ÖGK – mit Fokus auf Modernisierung und Versorgungssicherheit.