Mit dem Beginn des Krieges Russland gegen die Ukraine im Februar 2022 ist sowohl die europäische als auch die weltpolitische Lage in’s „Wanken“ gekommen; manche sprechen sogar von einer „Zeitenwende“. In seinem Vortrag gab Brigadier Walter Gitschthaler Einblicke in verschiedene Details des Geschehens auf dem Schlachtfeld und die daraus resultierenden zukünftigen Risiken und Bedrohungen.
Hintergründe und Chronologie
Der Kärntner Militärkommandant zeigte in seinem geschichtlichen Rückblick völlig ungeschminkt auf, dass praktisch alle westeuropäischen Staaten nach dem Ende des zweiten Weltkrieges einen entscheidenden Fehler machten: Sie vertrauten bei künftigen sicherheitspolitischen Überlegungen und Entscheidungen vollends den Vereinigten Staaten von Amerika, frei nach dem Motto „Amerika wird’s schon richten…“ Mit der Überzeugung, Russland auch nach dem Krieg weiterhin ausschliesslich als Feindbild zu sehen, ohne aber daran zu denken, wie sehr Europa langfristig doch von russischen Rohstoffen (Gas, Öl etc.) abhängig sein wird, zogen zu Zeiten des Wirtschaftswunders unbekümmert Jahre und Jahrzehnte in’s Land. Parallel dazu haben die Europäer – mit dem Argument der Billiglöhne – schon recht bald mit der Auslagerung verschiedenster Industrie-Produkte nach Fernost und Asien begonnen, und sahen auch kein Problem darin, dass sich in der IT-Branche step by step ganz klar die USA zur stärksten Macht entwickelten.
Düstere Vorzeichen des Krieges
Spätestens als dann im Jahre 2014 Russland die Krim annektierte, wurden europäische Politiker und Militärs wieder aus ihrer vermeintlich Sicherheits-Bubble unsanft geweckt. Die Frage „wie kann das sein?“ stand plötzlich im Raum. In Wirklichkeit war es das deutliche Vorbeben auf das, was dann acht Jahre später, konkret am 24.Februar 2022, passierte: Krieg am Ostrand Europas!
Als diese Schreckensmeldung sekundenschnell um die Welt ging, waren Experten vorerst der Meinung, dass dieser Überfall wohl eher nur als „David gegen Goliath“-Spielchen zu werten sei, und Russland binnen kürzester Zeit, man dachte an zwei bis drei Wochen, die Angelegenheit ganz klar für sich als erledigt betrachten werde. Doch leider weit gefehlt, somit das Ziel der Phase-1 aus russischer Sicht absolut nicht erreicht.
In der Phase-2 konzentrierte sich der Aggressor auf die Ost- und Süd-Ukraine, doch der ukrainische Widerstand war – durch inzwischen angelaufene Waffenlieferung aus Europa und USA – stärker als erwartet. Bald endeten die Aktivitäten am Schlachtfeld in Phase-3, dem sogenannten Stellungskrieg, in dem auf beiden Seiten keine klaren Machtverhältnisse zu erkennen waren.
Mit der nunmehr angelaufenen Gegenoffensive, als Phase-4, zeigten sich bald in abwechselnder Reihenfolge Territoriums-Gewinne und Rückschläge, ebenfalls für beide Seiten.
Wie geht’s weiter?
Brigadier Gitschthaler vertritt ganz klar die Einschätzung, dass der aktuelle Ukraine-Krieg wohl kaum am Schlachtfeld entschieden werden kann, sondern nur am grünen Tisch. Wer allerdingst das passende Werkzeug für konkrete Friedensverhandlungen haben soll, bleibt derzeit noch völlig unklar. MIt Sicherheit wird Russland die Krim niemals mehr aufgeben; Gebietsverluste für die Ukraine wird es auch geben müssen, ohne solche ist kein Friedensvertrag in Sicht.
„Europa ist aufgewacht. Militärische Sicherheit hat plötzlich wieder einen hohen Stellenwert. Die NATO spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle, und auch in den bisher neutralen Ländern sollte es erlaubt sein, über die Form der künftigen Neutralität nachzudenken und zu diskutieren.“
Wir spüren die Folgen
Die Auslagerung wesentlicher Alltags-, Technik- und Medizin-Produktionen in Billig-Länder sowie die vermeintlich ungetrübte Freundschaft zur USA dürfen den Blick dahingehend nicht trüben, dass Europa nach wie vor sehr von russichen Rohstoffen abhängig ist und bleibt. Die Pandemie-Jahre haben unsere Abhängigkeit wieder klar gezeigt, und eventuelle international bedeutende Chip-Produktionen wieder in die europäischen Länder zurückzuholen, ist eine Herausforderung, die auch nicht in wenigen Jahren umgesetzt werden kann.
Gitschthaler: „Wenn wir beispielsweise weiterhin Billigst-Importe forcieren, wenn Flugtickets einiger Linien fast geschenkt werden, wenn Kerosin als Flugzeug-Treibstoff weiterhin unversteuert bleibt und die Neutralität als absolut sakrosankt aus jeder Diskussion ausgeschlossen wird, werden wir mittelfristig wohl kaum ohne Wohlstands-Verringerung davonkommen. Die Akzeptankz des österreichischen Bundesheeres in der Bevölkerung ist jedenfalls seit Corona und dem Ukrainie-Krieg ganz deutlich gestiegen, was sicher ein Schritt in die richtige Richtung ist.“
Interessante Fragen
Umfassend Gebrauch machten die Museums-Gäste an diesem Abend von der Möglichkeit, dem Kärntner Militärkommandanten Brigadier Walter Gitschthaler live und unplugged auf Augenhöhe Fragen zu stellen. So z.B. Bezirkshauptmann Mag.Dr. Heinz Pansi, KLV-Vorstandsdirektor Kurt Tschemernjak, Standort-Direktor Martin Widemair, Bürgermeister DI Leopold Astner, Stadtrat Mag. Karl Tillian, Superintendentialkuratorin Helli Thelesklaf, Museums-Leiter Kurt Thelesklaf, Oberst i.R. Arno Kronhofer, Oberst i.R. Erhard Eder, Gend.Brigadier i.R. Ignaz Assinger, Bez. Feuerwehrkommandant Herbert Zimmermann, BH-Stv Mag. Günther Fian, Ing.Helmut Haas u.v.a.