Handel zieht Bilanz: Corona-Pandemie hinterlässt deutliche Spuren

Kärnten -

„Wenn mir jemand im Februar, als wir das vergangene Jahr bilanzierten und uns über eine stabile Konjunkturentwicklung freuten, gesagt hätte, dass wir nur wenige Monate später vor einem von der Krise gebeutelten Handel stehen, hätte ich es nicht geglaubt“, meinte Raimund Haberl, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Kärnten, zu Beginn der heutigen Pressekonferenz zur Halbjahresbilanz des Kärntner Einzelhandels. In Zahlen fasste diese Aussage dann Wolfgang Ziniel von der KMU Forschung Austria zusammen: „Die Umsätze im Einzelhandel in Kärnten sind im ersten Halbjahr 2020 um 3,6 Prozent zurückgegangen. Insgesamt liegt der stationäre Einzelhandelsumsatz bei 2,1 Milliarden Euro brutto. Auch die Zahl der unselbstständig Beschäftigten ist um 2,5 Prozent gesunken.“

WK-Spartenobmann Raimund Haberl, Wolfgang Ziniel von der KMU Forschung Austria und WK-Spartengeschäftsführer Nikolaus Gstättner blickten auf ein schwieriges erstes Halbjahr im Kärntner Handel zurück

Als sehr kundennahe Branche bekommt der Handel leiseste Veränderungen recht rasch zu spüren, daher hatte auch der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie schwerwiegende Folgen. „Unsere Betriebe mussten nicht nur ihre Läden schließen, sondern auch zahlreiche Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar kündigen. Verheerend war die Situation vor allem, weil das so wichtige Ostergeschäft weggebrochen ist“, blickte Haberl zurück. Ziniel unterstrich das mit den Werten dieser Zeit: „Während des Lockdowns im März und April hatten die Unternehmen mit einem Umsatzentgang von 100 Millionen Euro zu kämpfen. Prozentuell wurde im Durchschnitt um 15 Prozent weniger eingenommen.“ Bei diesem Wert muss man beachten, dass hier der Lebensmittelhandel eingerechnet ist, dieser aber wiederum geöffnet war. „Rechnet man die Lebensmittelhändler raus, müssen wir den Prozentwert circa auf das Dreifache erhöhen“, führte der KMU-Experte aus. Für Haberl eine klare Sache: „Selbst nach dem Aufheben des Lockdowns hat sich die Shoppinglust in Grenzen gehalten. Viele Menschen waren und sind noch immer von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen, da gibt man sein Geld nur für das Nötigste aus. Außerdem hat lange auch die Kombination von Shoppen und Lokal-Besuch gefehlt.“



Laut der Break-Even-Analyse der KMU Forschung

benötigt die Hälfte der Unternehmen für einen gewinnbringenden Geschäftsbetrieb noch zumindest 80 Prozent der „Vor-Corona“-Umsätze. Düster daher auch Ziniels Einschätzung: „Das Jahr kann kaum noch positiv für sehr viele Betriebe ausfallen.“ Vor allem im Bekleidungs- und Schmuckhandel sind enorme Rückgänge zu verzeichnen, Bau- und Heimwerkermärkte sind da deutlich besser durch die Krise gekommen. Hier kommt klar die Heterogenität des Sektors zum Ausdruck. Ein deutliches Plus konnten die Online Pure Player – also all jene Betriebe, die reinen Onlinehandel anbieten – verzeichnen. Sie machten österreichweit 30 Prozent mehr Umsatz im ersten Halbjahr 2020.

Ein Thema, das während der Krise noch mehr an Bedeutung gewonnen hat. „Unsere Betriebe sind von der Digitalisierung betroffen wie keine andere Branche, dafür bieten wir ein umfangreiches Serviceprogramm für die Händler“, erklärte Haberl. Der Branchensprecher erkennt aber auch eine klare Tendenz zu einer Mischform aus stationärem Geschäft und Onlineshop: „Wir bemerken, dass sich viele Kunden vorab online über die Produkte informieren und wenn möglich auch gleich bestellen, aber lieber die Ware im Geschäft abholen. Sie wollen ein Gesicht vor sich haben, nicht eine Bestellbestätigung per E-Mail.“ Dennoch ist der Trend klar: „Erfolg wird künftig ohne Digitalisierung nicht möglich sein.“



Spartenobmann und Unternehmer Haberl

sieht einen kleinen Silberstreif in der vorsichtigen Stabilisierung: „Das Einkauferlebnis kehrt langsam wieder zurück. Aktuell zeigen sich erste Signale einer Normalisierung und sechs von zehn Einzelhändler rechnen mit einem stabilen Geschäftsverlauf. Allerdings ist Ende 2020 bzw. Anfang 2021 ein Anstieg der Insolvenzen zu erwarten. Derzeit konnten die Betriebe die Zahlungen Stunden, doch diese sind irgendwann fällig.“ Raimund Haberl richtet daher seinen Appell an die Betriebe, sich in der Wirtschaftskammer über Förderungen und Hilfen zu erkundigen und an die Kunden: „Jede einzelne Kaufentscheidung ist für unser Bundesland von Bedeutung. #heimkaufen ist wichtiger denn je, denn so bleibt das Geld in Kärnten und schafft hier Arbeit, Einkommen und Wohlstand.“