Unterbietungswettkampf auf Kosten der Arbeitnehmer:innen
„Es fehlt vor allem eine industriepolitische Gesamtstrategie bis 2040, die darauf ausgerichtet ist, Wertschöpfung in Österreich zu generieren, Zukunftssektoren aufzubauen und die Transformation zu begleiten. Es braucht daher einen Schulterschluss auf allen Ebenen – Bund, Länder und Sozialpartner“, fordern Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE, und Günther Goach, Präsident der Arbeiterkammer Kärnten. Mit dem aktuellen Unterbietungswettkampf, etwa bei den Senkungen der Körperschaftssteuer oder der Arbeitgeberbeiträge zu den Lohnnebenkosten, wird man die Stärken Österreichs, wie soziale Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Innovationskraft oder das Gesundheitswesen, nicht erhalten können. „Es ist schlicht die Unwahrheit, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten zu mehr Wachstum und Wertschöpfung führt oder dass den arbeitenden Menschen mehr Netto vom Brutto übrigbleibt. Im Gegenteil, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden am Ende des Tages diese Rechnung bezahlen müssen, etwa mit einer Anhebung des Pensionsantrittsalters, mehr Selbstbehalten oder schlechteren Familienleistungen“, sagen Binder und Goach.
Öffentliche Investitionen kurbeln Wirtschaft an
Zentrale Zukunftsthemen sind aus Sicht von Gewerkschaft und AK die Schaffung der notwendigen Infrastruktur und die Qualifizierung der Arbeitnehmer:innen. Dies geht auch aus einer aktuellen Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica hervor, das etwa im Bereich der Energieinfrastruktur einen immensen Aufholbedarf festgestellt hat. So gibt es allein im Energiesektor einen Investitionsrückstau von 30 bis 40 Milliarden Euro. „Kluge staatliche Investitionen haben einen doppelten Effekt: Einmal als kurzfristiger Impuls für Konjunktur und Beschäftigung und langfristig profitieren die Unternehmen von einer besseren Ausstattung“, sagt Binder.
Aus- und Weiterbildung verstärken
Die Economica-Studie stellt auch fest, dass gerade Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften eine enorme Bedeutung für den österreichischen Standort haben. Ohne Fachkräfte, zum Beispiel in den Bereichen Elektrotechnik oder Installations- und Gebäudetechnik, wird die digitale bzw. ökologische Transformation nicht gelingen. Allerdings geht die Zahl der Lehrbetriebe kontinuierlich zurück und befindet sich derzeit auf einem historischen Tiefstand. Zudem kommt es laut einer aktuellen Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft zu Konzentrationstendenzen. Der Anteil an Lehrlingen in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten sinkt demnach stetig (2013: 18,3%, 2023: 13,8%), während jener in Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten steigt (2013: 33,7%, 2023: 40,2%). PRO-GE und AK-Kärnten fordern daher, dass die nächste Bundesregierung die Finanzierung auf neue Beine stellt. „Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden. Darum sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann die Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden“, sagt Goach.
Auch braucht es mehr Möglichkeiten, dass Arbeitnehmer:innen sich während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses weiterbilden können. „Hier leisten wir als Sozialpartner im Metall- und Elektroniksektor bereits einen Beitrag. In den Kollektivvertragsabschlüssen wurde eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren können mehrere tausend angelernte Arbeitnehmer:innen, die bereits jetzt in den Betrieben arbeiten, eine Fachausbildung nachholen“, sagt Binder.
Kurzarbeit für Industriebetriebe wieder ermöglichen
Die Kärtner Industriebetriebe sind mit rund 50.000 Beschäftigten ein wichtiger Arbeitgeber und Wohlstandsbringer. Metallindustrie sowie Elektro- und Elektronikindustrie gehören zu den Schlüsselsektoren: Zur Sicherung eines starken Industrie- und Produktionsstandortes fordern PRO-GE und AK daher, dass das Instrument Kurzarbeit für Industriebetriebe wieder möglich sein muss, vor allem auch in Verbindung mit Weiterqualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer:innen. „Noch mehr Unsicherheit ist in der jetzigen Situation sehr gefährlich, wir brauchen Stabilität für die Beschäftigten und für die Betriebe“, sagt Goach, der kein Verständnis dafür hat, dass „ein bewährtes arbeitsmarktpolitisches Instrument“ derzeit nicht zur Verfügung steht. Reinhold Binder verweist auf das Beispiel Liebherr in Osttirol. „Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Industriearbeitsplätze erhalten werden und die Betriebe ihre Fachkräfte halten können“, so Binder. Es gilt, auf regionale Unterschiede Bedacht zu nehmen, auch um einzelne Regionen vor Abwanderung zu schützen.