62 Prozent mehr Unternehmensinsolvenzen – Kärnten verzeichnet den größten Zuwachs in Österreich . Privatkonkurse: Plus 24 Prozent in Kärnten

„Unternehmens- und Privatkonkursentwicklung” in Kärnten

Kärnten/Österreich -

Laut aktueller KSV1870 Insolvenzhochrechnung sind im ersten Halbjahr 2023 in Kärnten 186 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Das sind um 62 Prozent mehr gegenüber dem Jahr 2022 – und etwa 28 Insolvenzfälle mehr als im „Normaljahr“ 2019. Mit diesem Plus rangiert Kärnten im Bundesländer-Vergleich auf Platz eins.

Unternehmensinsolvenzen: Plus 62 Prozent in Kärnten

Die Zahl der Insolvenzverfahren, die mangels Vermögens nicht eröffnet werden konnten, ist mit 109 sehr hoch. 77 Verfahren wurden eröffnet, wobei mehr als die Hälfte davon durch Gläubigeranträge ins Rollen gekommen sind. Gleichzeitig sind die Verbindlichkeiten* um knapp 18 Prozent auf 28 Mio. Euro gesunken. Die bis dato größte Firmenpleite betrifft die GHL VertriebsGmbH, Treibach-Althofen, mit Passiva von 4,1 Mio. Euro.

186 Unternehmen mit Verbindlichkeiten von 28 Millionen Euro insolvent

Im ersten Halbjahr 2023 wurden 77 Insolvenzverfahren über Kärntner Unternehmen eröffnet. Zusätzlich führten 109 weitere Insolvenzanträge mangels Vermögens der Schuldner nicht zu eröffneten Verfahren. In Summe sind 186 Unternehmen mit Verbindlichkeiten von 28 Millionen Euro insolvent. „Das sind um 62 Prozent mehr Fälle als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten ‘Normaljahr‘ vor der Corona-Krise, stehen heuer 28 Firmenpleiten mehr zu Buche. Das bedeutet ein Plus von 18 Prozent, womit wir uns hier im Moment über dem Vorkrisenniveau befinden“, berichtet Mag. Barbara Wiesler-Hofer, Leiterin des KSV1870 Standort Klagenfurt.

Nichteröffnete Insolvenzen als Problemfaktor

Es sind die Abweisungen mangels kostendeckenden Vermögens, die diese Entwicklung treiben, wie die Insolvenzexpertin analysiert. Die Zahl der Eröffnungen hat sich um 40 Prozent und die Abweisungen mangels kostendeckenden Vermögens haben sich gegenüber 2022 um 82 Prozent erhöht. Die mangels Vermögens abgewiesenen Insolvenzen sind schon lange ein Thema: Denn jede Unternehmensinsolvenz ohne Verfahren bedeutet keine geordnete Aufnahme der Schulden, keine Prüfung auf Anfechtbarkeiten, keine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung und keine Analyse hinsichtlich strafbarer Handlungen.

Der Schaden entsteht dabei vornehmlich der öffentlichen Hand (z. B. der Sozialversicherung) sowie dem Fiskus und den Abgabengläubigern. Die Schädigung des Insolvenz-Entgelt-Fonds, der die betroffenen Dienstnehmer abfinden muss, ohne sich auf die Prüfungen des Insolvenzverwalters stützen zu können, ist ebenfalls beachtlich. Aufgrund dieser Entwicklung plädiert der KSV1870 dafür, darüber nachzudenken, ob in Zukunft auch bis dato mangels Vermögens abgewiesene Fälle eröffnet werden sollen. „In Summe würde es dadurch zu weniger Ausfällen für Gläubiger, mehr Sanierungen und weniger Arbeitsplatzverlusten kommen“, ist Wiesler-Hofer überzeugt.

Bundesländer-Vergleich: Kärnten verzeichnet den größten Zuwachs

Im österreichweiten Durchschnitt sind die Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent gestiegen. Mit Ausnahme vom Burgenland und Oberösterreich verzeichnen alle Bundesländer Steigerungen. Kärnten verzeichnet mit 186 insolventen Firmen den größten Zuwachs (+ 62 %), gefolgt von Tirol (+ 16 %) und der Steiermark (+ 15 %).

Insolvenztreiber: Bauwirtschaft, Handel und Tourismus/Gastronomie

Bei den eröffneten Insolvenzen dominieren nach wie vor Betriebe aus dem Bereich der Bauwirtschaft, dem Handel und der Gastronomie das Kärntner Insolvenzgeschehen. Von den Kärntner Pleiten direkt betroffen sind 340 Mitarbeiter. Die bislang drei größten Insolvenzfälle des Jahres in Kärnten betreffen die GHL VertriebsGmbH (Konkurs) aus Treibach-Althofen mit Passiva von 4,14 Mio. Euro, die Kapeller Naturholz Manufaktur GmbH (Konkurs) aus Feistritz mit Passiva von 1,85 Mio. Euro und die RH-Tech plant construction GmbH (Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) aus Poggersdorf mit Passiva von 1,38 Mio. Euro.

Ausblick:

„Ich gehe davon aus, dass im dritten und vierten Quartal noch einige Eröffnungen folgen werden. Jedoch ist aus heutiger Sicht nicht davon auszugehen, dass es absehbarer Zeit zu einer Insolvenzwelle kommen wird. Es handelt sich dabei vorwiegend um Nachholeffekte aus Krisenzeiten, die wir auch in den kommenden Jahren wohl erleben werden“, so Wiesler-Hofer

*) Die Passiva für das Jahr 2023 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 15.6.2023. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern

Unternehmensinsolvenzen 1. Halbjahr 2023

(Hochrechnung)

Kärnten

2023

2022

Veränderung

Eröffnete Insolvenzen

77

55

+

40,0 %

Nichteröffnete Insolvenzverfahren

(mangels kostendeckenden Vermögens)

109

60

+

81,6 %

Gesamtinsolvenzen

186

115

+

61,7%

Geschätzte Passiva* in EUR

28 Mio.

  34 Mio.

 – 

            17,6 %

 

Gesamtinsolvenzen im Bundesländervergleich, 1. Halbjahr 2023

Bundesland

Fälle 2023

Fälle 2022

+ / –

Passiva 2023
in Mio.
EUR

Passiva 2022
in Mio.
EUR

+ / –

Wien

892

821

8,6%

330

322

2,5%

Niederösterreich

518

480

7,9%

280

173

61,8%

Burgenland

92

97

-5,2%

15

42

-64,3%

Oberösterreich

255

258

-1,2%

143

52

175,0%

Salzburg

152

135

12,6%

60

42

42,9%

Vorarlberg

51

46

10,9%

22

34

-35,3%

Tirol

171

147

16,3%

86

23

273,9%

Steiermark

283

246

15,0%

73

101

-27,7%

Kärnten

186

115

61,7%

28

34

-17,6%

Gesamt

2.600

2.345

10,9%

1.037

823

26,0%

 

*) geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten in EUR

Privatkonkurse: Plus 24 Prozent in Kärnten

Hochrechnung: Trotz steigender Fallzahlen zeigt sich ein Rückgang bei den Passiva und der Einzelverschuldung. Laut aktueller KSV1870 Insolvenzhochrechnung wurden im ersten Halbjahr 2023 in Kärnten 362 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet – das entspricht einem Plus von mehr als 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Gegensatz dazu sind die vorläufigen Passiva* um 17,5 Prozent auf 33 Mio. Euro gesunken. Das bedeutet, dass Privatpersonen in Kärnten bislang mit durchschnittlichen Schulden in der Höhe von 91.200 Euro Konkurs angemeldet haben – im Vorjahr waren es 137.400 Euro.

 Wirtschaftliche Herausforderungen sind enorm belastend 

Inflation, gestiegene Energiekosten, Preissteigerungen im Supermarkt – die wirtschaftlichen Herausforderungen sind enorm und belasten die Geldbörsen der Privathaushalte aktuell massiv. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen kommt somit der Anstieg bei den eröffneten Schuldenregulierungsverfahren auf 362 Fälle (+ 24,4 % gegenüber 2022) wenig überraschend. Obwohl die Zahl der eröffneten Privatkonkurse seit Inkrafttreten der Insolvenznovelle (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) im Juli 2021 kontinuierlich gestiegen ist, wurde das Vorkrisenniveau (2019: 367 Fälle, – 1,3 %) noch nicht zur Gänze erreicht.

Bundesländer-Vergleich: Kärnten auf Platz zwei im Ranking der Steigerungen

Im österreichischen Durchschnitt sind die Privatkonkurse gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um rund 3 % auf 4.456 Fälle gestiegen. Auf Bundesländer-Ebene sind die Unterschiede allerdings durchaus gegeben. Während die Steiermark, Wien und Niederösterreich einen Rückgang bei den Privatkonkursen verzeichnen, gibt es in den restlichen Bundesländern Zuwächse. Einem Minus von 14,5 Prozent bei der Anzahl der Fälle in der Steiermark steht ein Plus von über 42 Prozent in Vorarlberg gegenüber. Kärnten belegt im Bundesländervergleich mit 362 Fällen und einem Plus von mehr als 24 Prozent die zweitgrößte Steigerung.

Männer und Selbständige

Laut KSV1870 Analyse gingen in Kärnten 61 Prozent aller Privatkonkurse in den ersten sechs Monaten 2023 auf das Konto von Männern, in 39 Prozent der Fälle sind Frauen betroffen. Im Bereich der ehemaligen Selbständigen (26 %) machen Männer 67 Prozent der Betroffenen aus.

Ausblick: Weiterer Anstieg steht bevor

Aus heutiger Sicht ist damit zu rechnen, dass sich an den hohen Kosten nicht allzu schnell spürbar etwas ändern wird, sodass den Menschen in Kärnten wieder mehr finanzieller Spielraum zur Verfügung steht. Insofern geht der KSV1870 davon aus, dass die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren von Privatpersonen im Jahresverlauf weiter steigen wird. „Damit ist es vorstellbar, dass im Gesamtjahr 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird. Im Jahr 2019 waren das in Kärnten rund 700 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren“, resümiert Wiesler-Hofer

*) Die Passiva für das Jahr 2023 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 15.6.2023. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.

Privatkonkurse 1. Halbjahr 2023

(Hochrechnung)

Kärnten

2023

2022

Veränderung

Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren

362

291

+

24.4 %

Geschätzte Passiva* in EUR

33 Mio.

40 Mio.

17,5 %

 

Eröffnete Privatkonkurse nach Bundesländern, 1. Halbjahr 2023

Bundesland

Fälle

2023

Fälle 2022

+ / –    

Passiva 2023
in Mio. EUR

Passiva 2022
in Mio. EUR

+ / –    

Wien

1.416

1.474

-3,9%

119

137

-13,1%

Niederösterreich

631

642

-1,7%

70

72

-2,8%

Burgenland

87

71

22,5%

12

14

-14,3%

Oberösterreich

686

600

14,3%

63

51

23,5%

Salzburg

179

157

14,0%

22

20

10,0%

Vorarlberg

241

169

42,6%

16

14

14,3%

Tirol

340

317

7,3%

31

39

-20,5%

Steiermark

514

601

-14,5%

53

93

-43,0%

Kärnten

362

291

24,4%

33

40

-17,5%

Gesamt

4.456

4.322

3,1%

419

480

-12,7%

 

*) geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten in EUR