ÖGV gegen Abschiebung geflüchteter Lehrlinge

Kärnten -
Der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV) spricht sich entschieden gegen Abschiebungen von Asylwerbern in Lehrausbildungen aus. Die Unternehmervereinigung fordert das Vorhaben des Regierungsabkommens, einen geeigneten Niederlassungstitel zu schaffen, zu priorisieren und kurzfristig umzusetzen. Österreich möge sich zumindest an der deutschen Lösung orientiere, die den Lehrabschluss explizit zulasse und zudem drei Jahre Berufserfahrung ermöglichen. Insgesamt fehlt aber ein klar definierter Zuwanderungsplan, der die hohen Anforderungen Österreichs unterstütze.

  “Es ist in einer Weise kurzsichtig, engagierte Lehrlinge, deren Asylverfahren abschlägig erledigt wurde, auszuweisen, die beschämend ist. Den kleinen und mittelständischen Betrieben versetzt dies einen Schuss ins Knie”, hält ÖGV Generalsekretär Stephan Blahut fest: “So gut wie alle heimischen Unternehmen suchen händeringend qualifizierte Mitarbeiter. Lehrstellen können in Mangelberufen gar nicht oder nur unter großem Aufwand besetzt werden.” Unter diesen Gegebenheiten motivierte Lehrlinge auszuweisen, verursache Schäden auf allen Ebenen, so der ÖGV.

Bedrohungspotential

  “Der Lehrbetrieb verliert unmittelbar eine Arbeitskraft, in deren Ausbildung er bereits viel Zeit, Wissen und Geld gesteckt hat. Auch auf menschlicher Ebene wird der Lehrherr in unzumutbarer Weise frustriert. Gleichzeitig wird ohne Not die Existenz des Betriebes, der keinen anderen Nachwuchs finden kann, gefährdet. Und mittelfristig werden das Umfeld des Betriebes, Lieferanten, Kunden, die übrigen Mitarbeiter, deren Familien und letztlich die Steuerzahler schon lange bevor der Betrieb aufgeben werden muss, geschädigt”, fasst Blahut das Bedrohungspotenzial zusammen.  

Potentielle Kooperationspartner abgelehnt

  Die abgelehnten Flüchtlinge wiederum können ihre Ausbildung nicht abschließen. Sie werden zudem um jede Chance gebracht, eine tragfähige Berufserfahrung zu erwerben. Damit kann auch das Herkunftsland nicht profitieren, da kein substanzieller Knowhowtransfer stattfindet. Österreich verliert a priori wohlgesinnte Botschafter. Unsere Unternehmen werden um potenzielle Kooperationspartner gebracht. “Wir verhindern durch die Abschiebung neue Meister, neue Betriebe, neuen Wohlstand – egal wo dies dann realisiert wird!”

Herausforderungen stellen

Zudem verwehrt sich der ÖGV dagegen, dass soziale Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. “Die Empfehlung, vakante Lehr- und Facharbeiterstellen mit den aktuell Arbeitslosen zu besetzen, zeigt eine gewisse Ahnungslosigkeit auf. Wir müssen uns den Herausforderungen auch dann stellen, wenn sie politisch gerade nicht in den Kram passen. Österreich ist ein Einwanderungsland – das ist seit Jahrzehnten so und vorbehaltlos zu akzeptieren”, so Blahut, “Die Unternehmen dürfen nicht dabei behindert werden, die besten Talente ins Land zu holen. Es fehlt eine vorbildliche Zieldefinition, die nicht nur qualifizierten Arbeitnehmern und Unternehmensgründern die Einreise ermöglicht, sondern explizit auch Menschen, die eine Lehre, ein Studium oder ein berufsvorbereitendes Praktikum absolvieren wollen.”

Dringendes Thema

  “Wir nehmen die Bundesregierung gerne beim Wort, zunächst einen Niederlassungstitel zur Absolvierung einer Lehrausbildung zu schaffen. Sie muss dies aber unmittelbar umsetzen, will sie österreichischen Betrieben nicht Wachstumschancen nehmen und sie unnötig in ihrer Existenz gefährden”, fasst Blahut die Dringlichkeit des Themas zusammen. Der ÖGV empfiehlt dabei, sich eng am deutschen Vorbild zu orientieren, wo alle, die eine Lehre absolvieren, diese abschließen und weitere drei Jahre Berufserfahrung sammeln dürfen, bevor über ihren Aufenthaltsstatus endgültig entschieden wird. Die Erfordernisse der österreichischen Wirtschaft, des Sozialsystems und einer alternden Gesellschaft stellt auch an Migranten hohe Anforderungen. Mittelfristig braucht es daher einen Fachkräfte und Lernwillige befördernden Zuwanderungsplan, der sich zum Beispiel am kanadischen Modell orientieren könnte.