Die Insolvenzexpertin analysiert: „Im heurigen Jahr wurde mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller Firmenpleiten mangels Kostendeckung abgewiesen – im Vorjahr waren es 48 Prozent. Einer der Gründe, warum dieser Wert zuletzt gestiegen ist, liegt darin, dass viele Betriebe schon längst Insolvenz anmelden hätten sollen und durch den Fortbetrieb auch die letzten finanziellen Mittel aufgebraucht wurden.“ Wenn keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind, dann ist auch eine Sanierung nicht mehr möglich. „Die Folgen sind massiv. Menschen verlieren unnötigerweise ihre Arbeitsplätze und Gläubiger erhalten kein Geld, das ihnen aufgrund erbrachter Leistungen zusteht“, so Wiesler-Hofer.
Plus 59 Prozent bei den Passiva*
Neben den Unternehmensinsolvenzen selbst sind auch die vorläufigen Passiva* gestiegen – und zwar um 59 Prozent auf rund 35 Mio. Euro. Dies lässt sich im Wesentlichen auf zwei Fälle zurückführen: Das Konkursverfahren der Hispano Suiza Engineering GmbH, Villach (Passiva 4,5 Mio. Euro) und das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung der Innerkremser Seilbahnengesellschaft m.b.H. & Co Kommanditgesellschaft, Kremsbrücke (Passiva 3,3 Mio. Euro).
„Trotz des Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr, sind die Passiva in den ersten neun Monaten 2022 nicht auffällig hoch“, so Wiesler-Hofer. Nach wie vor dominieren kleine Betriebe aus dem Bereich des Handels, der Gastronomie und der Bauwirtschaft das Kärntner Insolvenzgeschehen.
Bundesländer-Vergleich: Kärnten auf Platz sechs im Ranking der Steigerungen
Im österreichweiten Durchschnitt sind die Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um 92 Prozent gestiegen. Es verzeichnen alle neun Bundesländer deutlich mehr Firmenpleiten als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Kärnten belegt im Bundesländervergleich mit 163 insolventen Firmen und einem Plus von 109 Prozent nach Oberösterreich (+ 165 %), Vorarlberg (+ 160,7 %), Niederösterreich (+ 135,1 %), Salzburg (+ 118,9 %) und Tirol (+118,3%) die sechstgrößte Steigerung.
Ausblick: Entwicklung findet Fortsetzung
Die vom KSV1870 zuletzt prognostizierten Nachholeffekte bei den Unternehmensinsolvenzen sind wie erwartet eingetreten. Nichtsdestotrotz erwartet der KSV1870 auch im letzten Quartal 2022 keinen plötzlich eintretenden Insolvenzausbruch, sondern eine sukzessive Fortsetzung der jüngsten Entwicklung. „Diese Prognose geht zwar eher in Richtung Normalisierung, aber das beschleunigte Insolvenzgeschehen setzt der Wirtschaft in Kombination mit den Teuerungen, der Energiekrise und den Lieferkettenproblemen ordentlich zu. Aktuell herrscht eine Dynamisierung nach einer langen Phase der Stagnation“, so Wiesler-Hofer.
Privatkonkurse: Plus 24 Prozent in Kärnten
Laut aktueller KSV1870 Insolvenzhochrechnung wurden in den ersten neun Monaten 2022 in Kärnten 448 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet – das entspricht einem Plus von fast 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Gegensatz dazu sind die vorläufigen Passiva* um 12,5 Prozent gesunken – und zwar auf 56 Mio. Euro. Das bedeutet, dass Privatpersonen im Jahr 2022 bislang mit durchschnittlichen Schulden in der Höhe von 125.000 Euro Konkurs angemeldet haben – im Vorjahr waren es 176.800 Euro.
Gründe für Privatkonkurse
Inflation, gestiegene Energiekosten, Preissteigerungen im Supermarkt – die wirtschaftlichen Herausforderungen sind enorm und belasten die Geldbörsen aktuell massiv. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen kommt somit der Anstieg bei den eröffneten Schuldenregulierungsverfahren auf 448 Fälle (+ 24 % gegenüber 2021) wenig überraschend. Obwohl die Zahl der eröffneten Privatkonkurse seit Inkrafttreten der Insolvenznovelle (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) im Juli 2021 kontinuierlich gestiegen ist, wurde das Vorkrisenniveau (522 Fälle, – 15 %) noch nicht zur Gänze erreicht.
„Im Privatkonkurs ist der aktuelle Anstieg vor allem auf die Insolvenznovelle des Vorjahres zurückzuführen, die deutliche Erleichterungen wie eine verkürzte Entschuldungsdauer für Schuldner gebracht hat“, erklärt Mag. Barbara Wiesler-Hofer.
Bundesländer-Vergleich: Kärnten auf Platz sechs im Ranking der Steigerungen
Im bundesweiten Durchschnitt sind die Privatkonkurse gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um fast 23,5 Prozent gestiegen. Es verzeichnen nahezu alle Bundesländer teils deutlich mehr Privatkonkurse als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Am stärksten fällt das Plus in Salzburg (+ 46 %) aus, gefolgt von Tirol (+ 42 %) und der Steiermark
(+ 40 %). Kärnten belegt im Bundesländervergleich mit 448 Fällen und einem Plus von fast 24 Prozent die sechstgrößte Steigerung.
Männer und Selbständige
Laut KSV1870 Analyse gingen in Kärnten durchschnittlich 61 Prozent aller Privatkonkurse in den ersten neun Monaten 2022 auf das Konto von Männern, in 39 Prozent der Fälle sind Frauen betroffen. Im Bereich der ehemaligen Selbständigen (25 %) machen Männer fast drei Viertel der Betroffenen aus.
Ausblick: Verzögerte Reaktion auf Teuerungswelle & Co möglich
Die anhaltenden und teils horrenden Preissteigerungen der jüngeren Vergangenheit machen auch vor den privaten Haushalten nicht stopp. „Stellten während der Corona-Krise vor allem der Faktor Kurzarbeit bzw. Arbeitslosigkeit zahlreiche Haushalte vor große Probleme, so sind es aktuell die Inflation und die zum Teil völlig aus den Fugen geratenen Preisexplosionen“, so Wiesler-Hofer.
Wie sehr die aktuelle Situation rund um das Thema der Preissteigerungen private Haushalte in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen wird und damit in weiterer Folge auch zum Faktor im Bereich des Privatkonkurses wird, bleibt abzuwarten. „Erfahrungsgemäß wirken sich derartige massive Einschnitte im Regelfall erst mit etwas Verzögerung auf das heimische Insolvenzwesen aus“, resümiert Wiesler-Hofer.
*) Die Passiva für die ersten drei Quartale 2022 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 15.09.2022. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.