Goach zur Kärntner Armutsstudie 2024: „Müssen frühe Wurzeln der Armut bekämpfen!“

Kärnten -

Wohnkosten und die Ausgaben für das tägliche Leben, vorzeitig beendete Ausbildungen und Unvereinbarkeit von Familie und Beruf bringen laut der aktuellen Kärntner Armutsstudie immer mehr Kärntner:innen an ihre finanziellen Grenzen – und darüber hinaus.


Strukturelle Lösungen gegen Armut und Arbeitslosigkeit gefordert 

AK-Präsident Goach: „Armut ist keine rein private Angelegenheit, sondern vielfach ein strukturelles Problem, das wir nur gemeinsam lösen können.“ Es braucht ein Präventionsnetz gegen die frühen Wurzeln von Armut, eine nachhaltige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und bessere existenzsichernde Absicherung, vor allem bei schweren Erkrankungen.

Alarmierende Ergebnisse der Kärntner Armutsstudie 2024

Die Ergebnisse der Kärntner Armutsstudie 2024, die heute, am 3. Juli 2024, präsentiert wurden, sind alarmierend, unterstreichen jedoch die Forderungen der Arbeiterkammer Kärnten: Zum Erhebungszeitpunkt 2023 war laut Statistik Austria jeder sechste Mensch in Kärnten (88.000 Personen) von Armut bzw. sozialer Ausgrenzung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten bedroht.

Für die umfassende Studie des „Kärntner Netzwerks gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ wurden nicht nur Betroffene befragt, sondern auch 315 Sozialexpert:innen aus dem Non-Profit-Bereich, dem öffentlichen Sektor sowie verschiedenen Interessenvertretungen, die in ihrer Arbeit täglich mit Armut, Armutsgefährdung⃰ und ihren Folgen konfrontiert sind. Insgesamt beschreiben mehr als 350 Menschen, wie Armut in Kärnten aussieht, was frühe und was spätere Auslöser sein und wie Politik und Gesellschaft vorbeugen und helfen können.

Forderung: Langfristige Maßnahmen gegen steigende Wohnkosten und Lebenshaltungskosten

AK-Präsident Günther Goach betont: „Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass die Kosten für das tägliche Leben – allen voran die Mieten und die Betriebskosten, aber auch die steigenden Preise für Lebensmittel – die Menschen immer weiter an ihre finanziellen Grenzen bringen.“ Die durchschnittlichen Wohnkosten etwa betrugen in Österreich 2023 für Armutsbetroffene 615 Euro (österreichweit im Schnitt 672 Euro) – das sind 44 Prozent des Haushaltseinkommens, während es für die Gesamtbevölkerung österreichweit 21 Prozent waren.

Mittel- und langfristig helfen 

„Statt vieler kurzfristiger Unterstützungsleistungen seitens der Regierung gilt es Maßnahmen zu ergreifen, die den Menschen mittel- und langfristig helfen – dazu zählt unter anderem das Einbremsen der steigenden Mieten vor allem im frei finanzierten Wohnbau. Um das zu erreichen, muss der gemeinnützige Wohnbau nicht nur im Zentralraum, sondern vor allem auch in der Peripherie forciert werden.“

Chancen für Frauen und Kinder schaffen

Rund 80 Prozent der befragten Expert:innen gaben an, dass Frauen (sehr) oft ihre Hilfe in Anspruch nehmen. „Der Ausbau des Kinderbetreuungs- und -bildungsangebots, auch durch die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen in Betrieben, ist dringend notwendig, um Frauen eine Vollbeschäftigung und damit finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen“, sagt Goach und gibt zu bedenken: „Was die Studie auch eindeutig belegt, ist, dass Armut oft in die Wiege gelegt wird. In der Kindheit und Jugend werden die Ressourcen fürs ganze Leben geschaffen: vor allem, was Bildung anbelangt, aber auch psychische Stabilität und praktische Fähigkeiten, die für die Alltagsbewältigung notwendig sind.“ Die

Armutsgefährdungsquote von Kindern, Jugendlichen und abhängigen jungen Erwachsenen liegt laut EU-SILC 2023 bei 20 Prozent, Kinder alleinerziehender Eltern haben ein Armutsrisiko von 42 Prozent, Kinder in Großfamilien mit mindestens drei Kindern von 32 Prozent. Eine 63-prozentige Armutsgefährdung haben Kinder, die mit zumindest einem/einer Landzeitarbeitslosen zusammenleben.

Bildung als Schlüssel

Bildungsabbrüche zählen zu den häufigsten Gründen für Armut und Armutsgefährdung. „Fast drei Viertel der befragten Organisationen beraten und betreuen (sehr) oft Klientinnen und Klienten, die lediglich einen Pflichtschulabschluss haben. Um den jungen Menschen in Kärnten optimale Berufsaussichten bieten zu können, sind weitere verstärkte Investitionen in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen notwendig.

AK-Präsident Günther Goach ist überzeugt: „Nachhilfe muss für alle leistbar sein!“ © AK Kärnten/Gernot Gleiss

Gute Ausbildung schützt vor prekären Arbeitsverhältnissen und Armut

Eine gute Ausbildung schützt vor prekären Arbeitsverhältnissen, die ebenfalls ein Mitgrund für Armut in Kärnten sind“, betont AK-Bildungsreferent Daniel Weidlitsch und nennt weitere, besorgniserregende Zahlen aus der Studie: „Die befragten Kärntner Sozialexpert:innen haben es zu 79 Prozent mit armutsbetroffenen und -gefährdeten Menschen zu tun, die arbeitslos sind, 72 Prozent weisen Qualifikationsdefizite auf, 68 Prozent sind sogenannte ‚Working Poor‘ und bei 51 Prozent handelt es sich um prekär Arbeitende.“

Daniel Weidlitsch, AK-Bildungsreferent (c) AK Kärnten/Helge Bauer

Wurzeln der Armut bekämpfen

„Es ist wichtig zu betonen, dass Armut nicht ausschließlich auf individuellem Verschulden beruht und keine rein private Angelegenheit ist. Vielmehr handelt es sich oft um ein strukturelles Problem, das nur durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden kann. Wir müssen die frühen Wurzeln der Armut bekämpfen“, appelliert Goach abschließend.

* Als armutsgefährdet gelten gemäß dem EU-SILC Messkonzept jene Personen, deren bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Nettohaushaltseinkommen weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens eines Landes beträgt. Als erheblich materiell und sozial benachteiligt gilt nach EU-Vorgaben, wer sich von 13 Merkmalen, die als Mindestlebensstandard festgelegt wurden, mindestens sieben nicht leisten kann. Diese reichen von unerwarteten Ausgaben bis zu 1.370 Euro (2023) über Freizeitaktivitäten bis hin zu einer angemessen warmen Wohnung.