"Gemeinsam gegen Überschuldung"

Situation über­schuldeter Personen ver­schärft sich

Kärnten/Österreich -
 
Teuerungen sind in allen Lebensbereichen spürbar. Eine Gruppe, die davon besonders hart betroffen ist, sind überschuldete Menschen. Für viele ist das Leben kaum noch leistbar, eine Schuldenregulierung oft nicht möglich. Der Schuldenreport 2022 gibt Auskünfte über die Klientel der Schuldenberatungen und beleuchtet Hintergründe.


2021 erhielten 53.000 Menschen Unterstützung von einer der zehn staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich. 7.200 Privatkonkurse wurden eröffnet, 68 Prozent davon von einer Schuldenberatung begleitet. Durch die Corona-Pandemie sind die Privatkonkurse in den letzten beiden Jahren stark zurückgegangen

Keine gute Nachricht

In beiden Jahren der Pandemie gab es rund 1.300 weniger Eröffnungen als im Zehnjahresschnitt. Eine gute Nachricht ist das nicht. Zahlungsprobleme wurden damit nicht behoben, sondern verschleppt. Zuletzt haben sich die Privatkonkurs-Zahlen wieder nach oben bewegt.

“Gemeinsam gegen Überschuldung”

Die vom Sozialministerium geförderte Informationsoffensive „Gemeinsam gegen Überschuldung“ soll helfen, die Möglichkeiten einer Schuldenregulierung weiter bekannt zu machen. „Mir ist es ein großes Anliegen, entsprechende Unterstützungsleistungen anzubieten, sodass Zahlungsschwierigkeiten nicht in eine dauerhafte Überschuldung ausarten. Mit den Gesetzesnovellen zur Insolvenzordnung und Exekutionsordnung sind im Sommer 2021 schuldnerfreundliche Regelungen in Kraft getreten, von denen ich hoffe, dass Betroffene sie auch in Anspruch nehmen“, so Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch.

Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch © BKA / Florian Schrötter

Entschuldung in überschaubarer Zeit möglich

Demnach sei eine Entschuldung in bestimmten Fällen bereits nach drei Jahren und somit in überschaubarer Zeit möglich. Des Weiteren kommt es durch die Gesamtvollstreckung zu einem Exekutions- und Zinsenstopp für betroffene Personen, sodass die Schulden nicht mehr weiterwachsen können. Da die Gesamtvollstreckung nicht zur Restschuldbefreiung führt, ist die Kontaktaufnahme zu den staatlich anerkannten Schuldenberatungen dringend anzuraten, damit diesen Neuregelungen in der Praxis zum Durchbruch verholfen werden kann.

Armutsgefährdungsschwelle und Existenzminimum

Im Schuldenreport 2022 werden die Zahlen aus den Schuldenberatungen im Jahr 2021 aufbereitet. Deutlich sichtbar wird, dass sich Lebenssituationen zunehmend verschärfen. Fast 30 Prozent der Klienten der Schuldenberatungen haben ein Einkommen unter dem Existenzminimum (2021 lag es bei 1.000 Euro). Bei den jungen Klienten unter 30 Jahren sind es sogar mehr als 35 Prozent. Zum Vergleich: Die Armutsgefährdungsschwelle liegt derzeit bei 1.371 Euro.

Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH © asb/Christoph Kempter

Existenzminimum anheben

Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich dazu: „Das Existenzminimum, also jener Betrag, der bei Schuldner nicht gepfändet werden darf, muss dringend zumindest an die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden.“ Diese jahrelange Forderung der Schuldenberatungen wird bei den steigenden Lebenskosten immer brisanter. „Es braucht schnelle und wirksame Maßnahmen, um Menschen im unteren Einkommenssegment zu helfen“, so Mitterlehner. „Auch einen Privatkonkurs muss man sich erst einmal leisten können. Dafür ist es nötig, die Lebenskosten bestreiten und zusätzliche Zahlungen für die Schuldenregelung tätigen zu können.

Arbeitslosigkeit sorgt für Überschuldung

Der seit Jahren mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund ist Arbeitslosigkeit. Fast 37 Prozent der Klienten gaben bei der Erstberatung an, arbeitslos zu sein, das sind 4,5 Mal so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Bei den jungen Klienten bis 30 Jahren waren es 43 Prozent. Klienten der Schuldenberatungen haben häufig eine unzureichende Ausbildung: Fast 45 Prozent der Klienten haben als höchste abgeschlossene Schulbildung die Pflichtschule abgeschlossen, bei der Klientel unter 30 sind es 51 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es 25 Prozent, deren höchste abgeschlossene Schulbildung die Pflichtschule ist.