Ich biege von der Bleiberger Landesstraße ab und schlängle mich die schmale, kurvenreiche Straße hinauf zu meinem Ziel: Sattlerweg 22. Ein großes Haus mit Gehöft und Stallungen ist in Sichtweite. Endstation im sprichwörtlichen Sinne – hier geht der Weg nicht mehr weiter. Da oben auf 940 Meter Seehöhe breitet sich auf einem riesigen Plateau vor meinen Augen das Anwesen von Michael Grafenauer aus. Das, in altrosa und weiß getünchte, 180 Quadratmeter große Wohnhaus hat bereits 110 Jahre auf dem Buckel. Michael hat es vor 30 Jahren saniert. Schon in den 70er Jahren hat Vater Johann Grafenauer das Haus einer Grundsanierung unterzogen. Wir machen es uns in der geräumigen Wohnküche bequem. Im Raum steht ein mächtiger Kachelofen – ein Lieblingsstück des 60-Jährigen. Die kleinen taubenblauen Kacheln sind zu einem hübschen Mosaikmuster angeordnet. Zum Ofen kam der gelernte Sprengmeister durch Zufall. „Ursprünglich ist das Stück für einen anderen Kunden entworfen worden. Der hat aber einen Rückzieher gemacht und ich kam zum Zug“, erzählt Grafenauer, der im Hochtal bis zur Schließung des Bergwerks als Bergmann tätig war. Seit 1997 war er Geschäftsführer der Schaubergwerke Terra Mystica / Terra Montana. Am Kachelofen hat die Statue der Heiligen Barbara ihr Plätzchen. Für einen waschechten Bad Bleiberger gehört die Schutzpatronin zur Grundausstattung im Haus.
Moderne Stallungen
„Einmal Bergmann, schlägt dein Herz ein ganzes Leben lang für diese Zunft“, sagt der dreifache Familienvater und ergänzt: „Das Herz des Landwirts schlägt genauso stark.“ Ich verstehe das als Aufforderung, dass wir uns ins Freie begeben. Ich werde mit der Landwirtschaft auf dem Grafenauer Hof vertraut gemacht. Obstbäume säumen die sanft geschwungenen Hänge. Nordseitig hinter dem Haus weiden gemächlich die Kühe. Sechs Mutterkühe und ein paar Kälber besitzt Grafenauer. „Früher hatten wir immer Fleckvieh“, erzählt der Hobby-Landwirt. Seit einigen Jahren hat Grafenauer auf eingekreuzte Rinderrassen wie „Blauschwarzer Belgier“ und „Charolais“, eine französische Rasse umgestellt. Als Michael sich ihnen mit einem Kübel voll „Leckerlis“ nähert, kommen sie im „Schweinsgalopp“ angetrabt. Dicht an dicht drängeln sich die Rinder um ihren Herrn, um ja als Erster Futter zu ergattern. „Die Stallungen sind 2009 neu gebaut worden. Die moderne Technik erleichtert die Arbeit wesentlich“, erwähnt der Nebenerwerbslandwirt nebenbei.
Steckenpferd Reitsport
Südseitig präsentiert sich mir ein phänomenales Panorama mit Blick auf den, mit Schnee angezuckerten Mangart. Mächtig, wie ein Fels in der Brandung steht er da. Auch hier: Weideland soweit das Auge reicht. Auf den großflächigen Wiesen unterhalb von Haus und Hof grast eine Handvoll Pferde. Neun sind es an der Zahl, die man aktuell am Gehöft antrifft. Zu dem Pony gesellen sich Noriker, Haflinger und ein paar Warmblüter. Der Reitsport ist das Steckenpferd von Tochter Janine (28). Sie wohnt noch daheim und ist ihrem Papa eine große Hilfe. Sohn Thomas (30) hat es beruflich und privat in die Stadt gezogen.
Mit Schafzucht gestartet
Eine Vorliebe hegt der Bad Bleiberger für die Schafzucht. 1978 fing alles an. Mit einem Nachbarn tuckerte Michael in einem Golf über die Tauern nach Wels und ersteigerte die ersten Suffolk Schafe mit ihrem unverkennbaren tiefschwarzen Kopf. Eine seltene Rasse, die muskulös und für ihre gute Fleischwüchsigkeit bekannt ist. Bald darauf importierte Grafenauer acht Stück und startete die Zucht. Zwölf Mutterschafe, ein Widder und vier junge Widderschafe sind es derzeit. Im Konvoi fahre ich mit Michael ins Tal hinunter, wo ein Großteil der Suffolk Schafe gerade beherbergt ist. Ich bin erstaunt, wie groß und kompakt diese hübsche Hausschaf-Rasse ist. Für einen kleinen Hof ist diese Anzahl an Tieren nicht wenig. „Es ist nicht immer leicht, Beruf und Landwirtschaft unter einen Hut zu bringen. Die Arbeit ist sehr zeitintensiv. Und der Tag ist meistens viel zu kurz“, gibt Michael zu bedenken. Immerhin hat er als Bauer auch eine Fläche von zirka 45 Hektar zu bewirtschaften.
Meine Besichtigungstour führt mich abschließend noch zu seinem Herzensprojekt: Auf dem Grundstück ist ein zweites Wohnhaus im Entstehen. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin möchte Grafenauer das neue Domizil ehestmöglich beziehen. Tochter Janine wird es sich im Elternhaus wohnlich machen. Nach reichlich Landluft tanken führt mich mein Weg wieder heraus aus dem Tal, heimwärts. Im Stillen ziehe ich den Hut vor der Doppelbelastung, die der Bad Bleiberger auf sich nimmt.