Im Karosseriebetrieb von Michael Schnabl in Nötsch im Gailtal steht im Autolackierer-Carport gerade ein Beauty-Treatment für den fahrbaren Untersatz auf dem Programm. In dem geschlossenen Raum zischt und dampft es. Sprühnebel steigt auf und verschleiert die Sicht. Der charakteristische Geruch von frischem Lack liegt in der Luft. Und es ist ziemlich laut. Janine Urbancic heißt die Dame die hier drin werkelt. Sie trägt einen weißen Ganzkörperschutzanzug. Die Atemschutzmaske schirmt vor Dämpfen, Gasen und Partikeln ab, die bei der Verarbeitung von Lacken und Farben freigesetzt werden. Konzentriert und fokussiert hantiert sie mit der Sprühpistole.
Onkel gab Anstoß für Lehre
Die 19-Jährige ist im zweiten Lehrjahr und besucht in Villach die Landes-Fachberufsschule für Lackierer. Autos waren irgendwie schon immer ihr Ding. Mit 13, 14 Jahren hat sie ihrem Onkel und Mechaniker Gerald Urbancic bei der Arbeit oft über die Schulter geschaut und ging ihm beim Lackieren und Reparieren der Autos gerne zur Hand. Nach Abschluss der dreijährigen HLW in Hermagor fasste sie 2018 den Entschluss: „Ich mache eine Lehre zur Lackiererin“. Urbancic bewarb sich bei der KFZ-Werkstätte Schnabl. Sie setzte sich als einziges Mädchen unter all den männlichen Bewerbern durch. „Meine Verwandtschaft war anfangs nicht so begeistert“, sagt sie. „Aber Mama war voll auf meiner Seite und meinte: ‚Das ist toll, einmal was anderes‘.“ Chef Michael Schnabl betont: „Wir bieten die Möglichkeit zur Schnupperlehre an. Wir möchten damit auch die Damenwelt auf diese Berufsbranche aufmerksam machen.“
Hand-Auge Koordination wichtig
Was eine gute Lackiererin ausmacht, wollen wir wissen. „Ein gutes Auge, eine geschickte Hand und Kreativität“, kommt prompt aus ihrem Mund. Die Vorarbeiten sind das Um und Auf in diesem Beruf, gibt sie zu verstehen. „Schleifen, Dellen ausbessern, kitten, abdichten… Wenn das nicht hundertprozentig passt, nützt der beste Lack nichts“, lautet ihre Expertise. Geht es ans Lackieren, sind ein gewisser Abstand zum Auto und ein bestimmtes Tempo für ein optimales Ergebnis unerlässlich. Ein Lernprozess, der nicht von heute auf morgen geht. „Ich habe schon ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich in das Ganze hinein gekommen bin“, gesteht sie.
Wenige Frauen in der Branche
Weibliche Fachkräfte in der Sparte Lackierer haben noch immer Seltenheitswert. „Derzeit sind in meiner Klasse aus ganz Kärnten nur zwei Mädchen. In der Stufe ober mir ebenso“, berichtet Urbancic. Dass das zierliche, hübsche Mädel sich beruflich in eine Männerdomäne reingesetzt hat, sieht sie entspannt. „Meine Kollegen akzeptieren mich voll und ganz“, sagt die Hermagorerin. „Daheim bin ich auch meistens mit Burschen zusammen“, ergänzt sie verschmitzt. Janines Freund Christoph findet die Berufswahl seiner Liebsten „Ganz schön cool“. Im Hinterkopf schmiedet die junge Frau bereits Pläne für ihre berufliche Zukunft. „Ich möchte nach der Lehre eventuell den Lackierermeister machen. Danach will ich nebenbei Polier werden.“ Auch privat fährt die bodenständige Gailtalerin auf vier Räder ab. Sie nennt einen blauen Vierer-Golf und einen Zweier-Golf in Lila ihr Eigentum. Wenn die Arbeit an den Autos ruht, greift sie daheim derzeit oft zu Hammer, Nägeln und Säge. Die Partyhütte – einst vom Onkel errichtet – renoviert Janine gerade. Ein Projekt, bei dem auf die helfenden Hände ihrer Kumpels Verlass ist.