Der Arbeitsplatz ist fast 10.000 Kilometer entfernt

St.Stefan / Kolumbien -

Kurt Tschmelitsch ist aus seiner Gailtaler Heimat ausgewandert und hat seinen Wohnsitz 2014 nach Kolumbien verlegt. Heuer feierte der gebürtige Latschacher seinen 60. Geburtstag, der neben seiner Muttersprache noch Spanisch, Englisch und Italienisch spricht.

Kurt Tschmelitsch mit seiner Tochter Zoe

Nach der Pflichtschule besuchte der Ex-Fußballer von SV Egg und SC Hermagor das BORG in Hermagor und studierte Architektur in Wien, Rom und Havanna. Danach arbeitete der Familienvater im Architekturbüro Ronacher in Khünburg und in einigen anderen in Wien als Projektleiter.


Gailtal Journal: Wie sind Sie nun in Kolumbien gelandet?

Tschmelitsch: „Während der Ausarbeitung meiner Diplomarbeit in Kuba lernte ich bei einem internationalen Seminar kolumbianische Architekturstudenten kennen und diese luden mich ein, Kolumbien zu besuchen. Es wurden daraus dann über Jahre mehrere Urlaube und schließlich verlegte ich meinen Wohnsitz nach Kolumbien, um an einem Wohnbauprojekt in Bogota mitzuarbeiten. In diesem Land wird Spanisch gesprochen, es gibt dazu noch 68 offizielle indigene Sprachen der Urbevölkerung”.

Was machen Sie dort beruflich?

„Die Firma, Genercol, für die ich arbeite, hat ihren Hauptsitz in Cali im Süden des Landes. Sie verwirklicht öffentliche Projekte im Sektor der erneuerbaren Energien, vorwiegend in abgelegenen Gebieten, die nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind und Energie nur stundenweise über Dieselaggregate beziehen. In Kolumbien gibt es immer noch mehr als 400.000 Einwohner, die Zugang zu elektrischer Infrastruktur entweder begrenzt oder überhaupt nicht haben. 170 KWh sind im Monat pro Haushalt in diesen abgelegenen Gebieten zu 85% staatlich gefördert. Mein Aufgabenbereich bei diesen Projekten sind sämtliche bauliche Angelegenheiten und dazu verbringe ich teilweise Monate in diesen Gebieten – so war unser letztes Projekt am Amazonas an der Grenze zu Brasilien”.

Das privatfinanzierte Projekt in Unguia, Nahe der Grenze zu Panama

Weg von fossiler Energie?

„Nach dem Regierungswechsel vor zwei Jahren wird Kolumbien das erste Mal in seiner Geschichte vor einer linken Regierung geführt und Präsident Petro hat eine klare Vision: “Weg von fossiler, hin zu erneuerbaren Energien, insbesondere die Errichtung von Solarparks.

Wie teuer ist sonst das Leben in Kolumbien?

„Ein Mittagessen kostet um die drei Euro und ein Liter Treibstoff kostet knapp unter einem Euro. Der Mindestlohn beträgt um die 320,- Euro. Mehr als 50% der arbeitenden Bevölkerung bezieht ihr Einkommen aus informellen Tätigkeiten wie dem Verkauf von Nahrungsmitteln, Kleidung oder sonstigen Dienstleistungen, diese Tätigkeiten sind weder registriert noch sind diese Menschen staatlich abgesichert“.

Mit seinen Mitarbeitern und Bewachern auf einer Baustelle in Kolumbien

Ist Kolumbien ein „Dritte Welt Land”?

„Heute bezeichnet man die ehemaligen Dritte-Welt-Länder als „Entwicklungsländer“. Ja, und zwar in vielerlei Hinsicht, vor allem die Korruption macht dem wirtschaftlichen Fortschritt schwer zu schaffen und die Oligarchie, die weniger als 5% der Bevölkerung ausmacht, teilt sich 95% des Reichtums des Landes und erschwert somit die Entwicklung zu einer breiteren Mittelschicht”.

Privates & Hobbys?

„Ich habe noch zwei Geschwister (Andreas und Angelika) und meine Eltern Erika (81) und Florian (88) wohnen in Latschach. Meine sechsjährige Tochter Zoe, die in Kolumbien geboren wurde, ist in Latschach getauft. Für Hobbies bleibt nicht viel Freizeit. Ich verbringe diese Zeit vorwiegend mit meiner Tochter, lese gerne und mache etwas Laufsport. Wochenendausflüge nutze ich, um neue Regionen und Dörfer kennenzulernen”.

Und Besuche im Gailtal?

„Ich war zuletzt im Vorjahr in meiner Heimat und der nächste Besuch ist für Weihnachten 2026 geplant. Einen Hin- und Rückflug bekommt man um ca. 1.000,- Euro pro Person”.

Wo sind Sie in fünf Jahren?

„An der Seite meiner Tochter, wo auch immer das sein mag. Ziel ist es, dass sie vielleicht einen Teil ihrer Schulausbildung in Österreich abwickelt”.